Preisbindung für E-Books

"Als wäre die Welt noch nationalstaatlich organisiert..."

1. Oktober 2008
Redaktion Börsenblatt
Der Börsenverein hat klar gesagt, wo er steht: E-Books sind an einen festen Preis zu binden. Punkt. Dafür gibt es aus der Branche viel Applaus, aber auch Ablehnung. Mehr über die Debatte lesen Sie im Börsenblatt-Dossier des morgen erscheinenden Heftes. Die Kritik von de Gruyter-Geschäftsführer Sven Fund veröffentlichen wir hier als Gastbeitrag:
In seiner am Montag veröffentlichten Stellungnahme hat der Börsenverein erklärt, er halte eBooks für einen Gegenstand der Buchpreisbindung. So weit, so gut. Zentrale Fragestellungen und Konsequenzen hat der Börsenverein bar aller ökonomischen Argumentation rein formaljuristisch ausgeblendet und damit nicht, wie man im Verband wohl meint, durch Auslassung geschickt beantwortet. Zum Konkreten: Der „Kompromiss“, der im übrigen gegenüber früheren Entwürfen zahlreiche Verwässerungen erfuhr, berücksichtigt die Position von Wissenschaftsverlagen mehr denn je unzureichend. Und er wird unweigerlich eine wirtschaftliche und eine branchenpolitische Konsequenz haben. Die wirtschaftliche wird darin bestehen, dass Wissenschaftsverlage, die zu einem Teil im übrigen seit Jahren erfolgreich eBooks ohne gebundene Preise verkaufen, vermutlich Modelle erfinden werden, die es ihnen erlauben, elektronische Inhalte, die sie bisher als eBooks angeboten haben, zukünftig als „Datenbanken“ zu verkaufen. Das leistet einer (vermeintlichen) Produktdifferenzierung Vorschub, die Experten, etwa Bibliothekare, schon heute zu Recht als verwirrend bezeichnen. Insofern hat die veröffentlichte Lesart des Börsenvereins der Branche einen Bärendienst erwiesen. Und dass ein eBook-Paket eine Online-Datenbank sei, wie nun offensichtlich argumentiert werden soll, kann juristisch sicher hindefiniert werden, lebensweltlichem Umgang und bisherigen Begrifflichkeiten entspricht es hingegen nicht. Zum Grundsätzlichen: In Zeiten, da staatliche und selbst international koordinierte Regulierung in der Wirtschaft zunehmend an Kraft verliert oder, wie ein Blick auf die Finanzmärkte in aller Welt zeigt, gar misslingt, argumentiert der Börsenverein, als sei die nationalstaatliche Ebene nach wie vor ein effizienter Ordnungsrahmen und der Börsenverein ein Gremium, das in dieser Arena per Diktum ökonomisch für die große Mehrheit der Marktteilnehmer sinnvolle Rahmenbedingungen definieren könne. Zweifel sind angebracht: Setzt sich die Lesart des Börsenvereins durch, bedeutet dies einen tiefen Eingriff in die wirtschaftliche Autonomie der Marktteilnehmer. Branchenpolitisch ist es dem Börsenverein nicht gelungen, einen Konsens zwischen seinen Mitgliedern herzustellen, der dauerhaft halten wird. Und unabhängig von juristischen Fragen ist das doch wohl die zentrale Aufgabe einer Branchenvertretung. Ich finde es bedauerlich, dass der Börsenverein im Brustton der Überzeugung ökonomisch Fragwürdiges verlautbart und sich zudem selbst in die Situation bringt, zur Sicherung der eigenen Glaubwürdigkeit im Zweifel gegen seine eigenen Mitglieder juristisch vorgehen zu müssen, die seine Ansicht nicht teilen. Eine zentrale Forderung all derer, deren Geschäft seit Jahren elektronische Produkte sind, nämlich die Durchsetzung eines einheitlichen Mehrwertsteuer-Satzes für alle verlegerischen Produkte, ist demgegenüber nicht gelungen. Dabei hätte diese allen Marktteilnehmern genutzt.