Meinung

Jetzt ist der Stick voll

15. Oktober 2008
Redaktion Börsenblatt
Die Buchhandlung in zehn Jahren: Einkaufsbummel im Kulturkaufhaus der Zukunft. Martina Tittel, Unternehmensberaterin in Berlin, besichtigt das Angebot und nimmt mit, was sie kriegen kann.
Sie wollen wissen, wie es in zehn bis 20 Jahren in den heutigen Buchhandlungen aussieht? Großartig. Aber lesen Sie selbst – ich habe meinen Beitrag nicht vertont, ich hörte, Sie haben Ihren Schwerpunkt noch im Printbereich, also komme ich Ihnen gern entgegen: Begleiten Sie mich auf meinem Einkaufsbummel. Ich liebe es, in einem Medien­laden, nach einer Latte macchiato und nach der Lektüre der hier erworbenen Tageszeitung zu überlegen, was ich einkaufen will. Diese Medienhandlungen, die es heute gibt, haben für alle Bedürfnisse etwas da. Ich hätte mir die Tageszeitung auch auf mein E-Book laden können, aber ich mag lieber Zeitungspapier in den Händen halten. Mal sehen, womit wir anfangen. Im Erdgeschoss werde ich mir zwei Hörbücher auf meinen Player laden. Seit einiger Zeit haben sie hier die Downloadstationen mehrfunktional gemacht. Sehr bequem für mich, da ich sowohl Filme, Spiele, Hörbücher, Bücher und Musik herunterladen kann und hier das Portal sofort aufrufbar ist (zu Hause im Internet muss ich erst suchen …). Meist kaufe ich dann doch mehr, als ich will. Der Download dauert zwar nicht lange, aber die Zeit reicht aus, um mich auf dem Bildschirm über die Neuerscheinungen zu informieren. Zahlen vom Handykonto direkt am Terminal erspart lästiges Warten. Für den bevorstehenden Urlaub reichen mir zwei Hörbücher und zwei Spiele. Filme gucken wir wieder zu Hause, ist ja auch bequemer und größer auf der Wiedergabe­tapete. In der ersten Etage gehe ich zur Wellfitness, um meinen Gewinn abzuholen. Ich habe mich strikt an die individuell und online angepassten Ernährungsprogramme des Verlags gehalten. Das Ziel-Gewicht habe ich sogar noch unterschritten. Mal schauen, ob ich den Gewinn mitnehme oder mir die Punkte noch für die nächste Runde gutschreiben lasse. Die Rezepte der nächsten vier Wochen lade ich mir auf den Stick und kopiere sie nachher in meinen Rezept- und Verwaltungsspeicher am Kühlschrank. Jetzt doch schnell vorbei an den neuen, spannenden Taschenbüchern über die aktuelle Religionsdebatte. Ach ja richtig, die neuesten Gehirnjoggingspiele. Daran habe ich unten gar nicht gedacht. Na, dann lade ich sie eben hier runter – die sind prima für den Flug zum Zeitvertreib. Jetzt ist der Stick zwar voll, aber macht nix, zu den Downloads bekommt man kostenlos einen dazu – gebrandet selbstverständlich. Nun muss ich jemanden auftreiben, der mir das einzig wahre Fachbuchkapitel zu den neuesten Erkenntnissen der Psoriasis aufruft für einen Download. Meine Tochter schreibt gerade eine Hausarbeit und will den neuesten Forschungsstand einarbeiten. Die nächsten Kapitel Chinesisch für meinen Achtklässler lade ich da auch noch drauf. Zusammen mit dem Arbeitsbuch ist das richtig gut, da die Kapitel interaktiv sind und an die jeweilige Qualität der Aussprache angepasst werden können. So, jetzt aber hoch ins oberste Stockwerk – zur Reisevorbereitung zwei Bildbände über den Baikalsee, dann noch den ausführlichen Trekkingführer, beides auf Umweltpapier gedruckt. Den Stadtführer von Moskau lade ich mir aufs Handy, dann können wir uns, GPS-geführt, besser orientieren. Zwei Tage – das ist nicht viel Zeit, also lasse ich mir lieber die priorisierten Kurzrouten aktuell aus dem Programm zusammenstellen. Als krönenden Abschluss werde ich mir jetzt noch das neueste Taschenbuch von Zafon und von Duve holen. Echt praktisch, dass wir heute nicht mehr so viel schleppen müssen, wie Sie damals! Welches ist Ihr Bild von der Buchhandlung der Zukunft?