BÖRSENBLATT-Café

Perfekt oder preiswert?

16. Oktober 2008
Redaktion Börsenblatt
Im BÖRSENBLATT-Café wurde heute um 15 Uhr über die Qualitätssicherung beim Hörbuch diskutiert.
Auf dem Podium saßen: Thomas Bernik (Audio Media Verlag), Angelika Schaack (HörCompany), Wolfgang Schneider (Literaturkritiker) und Johannes Stricker (Hörbuch Hamburg). Der Preis von Hörbüchern ist von 17,56 Euro (2001) auf 13,60 Euro zurückgegangen. Kann man da noch Qualität garantieren? Wie beurteilt Wolfgang Schneider die Qualität von Hörbüchern? "Der Hörbuchmarkt hat sich sehr entwickelt. Vor fünf Jahren war es noch eine Hochkulturnische, jetzt wird der ganze Buchmarkt abgebildet, da entstehen natürlich Mängel", so Schneider. Viel hänge auch vom Sprecher ab. In diesem Bereich gäbe es viele Fehlbesetzungen. "Einen allgemeiner Mangel sehe ich auch darin, wenn zu wenig Tracks gesetzt werden", so Schneider. "Wir bauen darauf, dass der Kunde den Unterschied zwischen Billigproduktionen und gut gemachten Hörbüchern erkennt", so Angelika Schaack. Sie stimmt Schneider zu, dass viel vom Sprecher abhängt. Thomas Bernik, der auch für Tankstellen günstigere Hörbücher produziert, sagte, dass auch billigere Produktionen gut produziert sein können. Abstriche könne es zum Beispiel aber bei der Verpackung geben. Auch für Johannes Stricker spielt die Qualität beim Hörbuch die entscheidende Rolle. "Die größte Herausforderung wird es bleiben, dass man beim Käufer ein Bewusstsein für Qualität schafft", so Stricker. Man kalkuliere auch die Mehrfachverwertung gleich mit ein, "so können die Preise fürs Hörbuch etwas zurückgehen", so Stricker. "Das Problem ist, dass der Kunde nicht mehr wirklich unterscheiden kann, ob es sich um neue produkte, oder Hörbücher aus der Backlist handelt", so Bernik. Wenn die Wertigkeit des Produkts beim Kunden rüberkommt, zum Beispiel über die Verpackung, dann sei der Kunde auch mal bereit, mehr zu bezahlen. "Auch Reihengestaltungen mit besonderer Ausstattung funktionieren ganz gut", so Schaack. Dürfen Hörbücher gekürzt sein gegenüber der Vorlage? "Viele Bücher gewinnen dadurch, dass sie bearbeitet und gekürzt werden", gibt Johannes Stricker zu bedenken. Bernik: Kürzen könne zum Teil auch das Risiko des kostendeckenden Verkaufens minimieren - ein Krimi mit zehn CDs zu machen, würde sich in der Regel nicht rechnen. Wie kommuniziert man gegenüber dem Kunden, ob und was gekürzt wurde und inwieweit die Produktion damit gewinnen kann? Stricker: "Da sind wir dankbar, dass wir solche Kritiker wie Wolfgang Schneider haben, die das in ihren Rezensionen in den Medien erklären. Wir machen es bei uns immer kenntlich, wenn es sich um eine gekürzte Version handelt." Schneider: "Man wird im Laufe der Jahre schon immer resistenter gegen Überraschungen in Bezug auf Qualität." Ein Beispiel positiver Überraschung der letzten Jahre sei der "Dr. Faustus" gewesen. Er, Schneider, habe vorher nicht gedacht, dass sich dieser komplizierte, sperrige Roman so gut als Hörbuch hätte machen können. "Es gibt aber auch negative Überraschungen, wenn man als Hörer zum Beispiel feststellen muss, dass eklatante Verleser so in den Handel kommen, unkorrigiert." Wie soll der Kunde die Qualitäts- und Preisunterschiede richtig erkennen können? Schaack: "Da ist natürlich der Buchhandel gefragt. Und wir als Verlage müssen alles dafür tun, dass der Buchhandel in der Lage ist, seine Kunden in Bezug auf Qualität und Preisunterschiede kundig zu beraten." Bernik: "Das ist ja auch eine Aufgabe im Arbeitskreis Hörbuchverlage, dass wir solche Informationen über die Qualität richtig aufbereiten und dem Handel zur Verfügung stellen." Noch eine Anmerkung zum Procedere beim Kürzen: "Wir nehmen die Qualitätssicherung sehr ernst und schicken die gekürzte Version noch einmal zum Autor, damit er sie abnehmen kann." Stricker: "Ein Problem ist, dass wir im Buchhandel vor Ort immer weniger Beratung haben. Deshalb müssen wir als Verlage Hilfe geben und uns die Präsentationen im Buchhandel anschauen und gegebenenfalls Hilfestellung geben." Nicht von ungefähr wachse zur Zeit der Anteil des Geschäfts mit Hörbüchern im Internet überproportional. Schaack: "Und wir freuen uns natürlich immer über Rezensionen. Presse ist für uns ein ganz wichtiger Weg, um an den Buchhandel und an die Kunden zu kommen." Gab es schon Produkte, die man nicht macht, weil sie zu teuer geworden wären? Stricker: "Wir machen keine Produkte, von denen wir nicht wissen, dass wir sie gut machen können." Schaack: "Bei uns hatten wir einen Fall, da habe ich mich in der Stimme völlig verhauen - da habe ich mir das am Ende angehört, und es war einfach schlecht." Das Produkt sei mittlerweile nicht mehr auf dem Markt. Stricker: "Der Markt wird enger, die Konkurrenz größer. Wir haben 500 Verlage, laut GfK sogar 1000 Verlage, die Hörbücher anbieten." Bernik: "Ich glaube, man muss schneller entscheiden heutzutage, muss bei einem Manuskriptangebot schnell verhandeln mit dem Verlag." Schaack: "Man ist darauf angewiesen, die Programme und Manuskripte der Verlage möglichst früh zu studieren, vielleicht sogar schon, bevor sie übersetzt werden." Wie sieht es auf dem Sprechermarkt aus? "Es ist schwierig, die zu bekommen, die es wirklich gut können. Wir sind darauf angewiesen, dass wir mit gut ausgebildeten Sprechern arbeiten. Qualitätvolle Produktionen kann man nicht mit ungeübten Sprechern schaffen. Die Guten zu finden, die vielleicht noch unbekannt sind, fällt oft schwer." Schneider: "Manchmal sieht man ein neues Hörbuch und sieht schon wieder Christian Brückner. Aber der kann es einfach. Ebenso Ulrich Matthes. Das sind einfach herausragende Stimmen." Wenn Geld keine Rolle spielen würde: Was würden Sie Ihren Hörbüchern zusätzlich angedeihen lassen? Schaack: "Schwierige Frage. Vielleicht würden wir noch ein paar Hörbücher mehr machen." Bernik: "Die Sprecher kosten natürlich auch unterschiedlich viel. Vielleicht könnte man also noch mehr in den Sprecher investieren - und den Rest des Geldes ins Marketing." Schneider: "Viele Wünsche sind noch offen im Bereich des Sachhörbuchs. Man schaut zu sehr auf die Bestsellerlisten. Oft sind die Sachbuch-Hörbücher auch brutal gekürzt. Es gibt Autoren, da frage ich mich: Die schreiben so verständlich, das könnte man auch beim Hören verstehen. Warum gibt es die nicht zum Hören? Stricker: "Wir scheinen diese Zielgruppe nicht zu erreichen." Bernik: "Wir sind mit unserem Label Hörbuch Wissen ja gestartet. Die schwierigen Themen, die in die Tiefe gehen, haben eine kleine Zielgruppe - und sie sind aufwendig zu produzieren. Dieses Segment hat sich in Deutschland noch nicht so recht durchgesetzt. Ich persönlich glaube aber, dass da noch einiges passieren wird." Sind Downloads eher eine Gefahr oder eher eine Chance fürs Hörbuch? Stricker: "Noch spielt der legale Download nicht die große Rolle. Der illegale Download auf den sogenannten Tauschbörsen stellt allerdings eine große Gefahr fürs Hörbuch dar. Denn es werden insbesondere solche Hörbücher illegal gezogen, mit denen man sein Programm querfinanzieren möchte. Die Internet-Piraterie ist eine richtige Bedrohung." Schaack stimmt zu: "Wir sehen schon eine Möglichkeit, dem illegalen Download eine legale Möglichkeit entgegenzustellen. Aber im Vergleich zum Umsatz im stationären Buchhandel ist der Download-Umsatz noch sehr gering." Bernik präzisiert: "Der Umsatz-Anteil dürfte so zwischen fünf und zehn Prozent liegen." Wie steht es um das Preisgefüge beim Downloaden? Stricker: "30 Prozent unter UVP ist okay. Aber wenn man da noch deutlich weiter runtergeht, wird ein Preisdruck ausgeübt, den sehe ich durchaus kritisch." Schaack: "Wenn wir noch mehr mit dem Download-Preis runtergehen würden, bekämen wir auch Probleme mit unseren Lizenzgebern." Frage aus dem Publikum: Kann es nicht sein, dass irgendwann 600 Seiten auch auf eine CD passen? Schaack: "Es ist nicht so leicht, dem Kunden klar zu machen, dass sie für eine einzige CD dann einen relativ hohen Preis bezahlen sollen."