Bauhausjahr 2009

»Die Lust am Experiment«

30. Oktober 2008
Redaktion Börsenblatt
Im nächsten Jahr feiert das Bauhaus 90. Geburtstag. Warum die Moderne noch lange nicht ausgedient hat. Und wie die Stiftung Bauhaus den Stadtumbau Ost begleitet – Antworten von Omar Akbar, Direktor am Bauhaus in Dessau.
Was können wir heute, fast 90 Jahre nach der Gründung in Weimar, noch vom Bauhaus lernen? Akbar: Ganz unterschiedliche Dinge. Damals entstand eine Schule, die sich bewusst von den tradierten Vorstellungen der Ausbildung löste. Allein schon die Gründung der Schule war ein Experiment und man suchte aus dem Experimentellen heraus nach Perspektiven und innovativen Lösungen für die Zukunft. Außerdem gelang es, große Persönlichkeiten jener Zeit, vor allem Künstler, an einem Ort zusammenzubringen. Dabei spielten Interdisziplinarität und Internationalität eine große Rolle, denn am Bauhaus lehrten und studierten Menschen aus etwa 30 Ländern. Die Begegnung mit anderen Kulturen war Reichtum. All das ist heute noch hoch aktuell. Darüber hinaus hat sich das Bauhaus mit der Frage des Sozialen beschäftigt, eine fundamentale Frage für die Gestaltung der Stadt. Wir müssen aber feststellen, dass die Radikalität der klassischen Moderne auch Entwicklungen provozierte, die urbane Unwirtlichkeiten hervorriefen. Serielles Bauen und monofunktionale Strukturen haben die Architektur nach dem 2. Weltkrieg verändert und die Bauhaus-Ideen pervertiert. Von diesen negativen Entwicklungen können wir auch lernen. Postmoderne Architekten haben Bauhaus-Vertretern wie Walter Gropius und Mies van der Rohe sogar einen menschenverachtenden Baustil vorgeworfen... Akbar: Das ist ein großes Wort – "menschenverachtend". Man muss die klassische Moderne vor dem Hintergrund ihrer Zeit sehen. Es war eine Bewegung, die versucht hat, tradierte Vorstellungen in Frage zu stellen.Entsprechend der Industrialisierung suchte man nach rationellen Bauweisen und rationalen Architekturen. Die Postmoderne mit ihrer architektonischen Geschwätzigkeit ist mit Sicherheit nicht die Antwort auf diese rationale Architektur. Hier lobe ich mir die klare Funktionalität der klassischen Moderne. Stichwort Stadtumbau Ost. Im Osten droht die Gefahr, dass Städte entvölkern, teilweise verfallen. Können wir auch hier vom Bauhaus lernen? Akbar:Es geht nicht um Stadtplanung à la Bauhaus. Sondern darum, dass wir die Transformationsprozesse, die Städte im Zuge des demografischen Wandels erfahren, aus unterschiedlichen Perspektiven angehen und prozesshaft gestalten. Wichtig ist die Beteiligung der Gesellschaft, der Bürger. Im Auftrag des Landes Sachsen-Anhalt führt die Stiftung Bauhaus Dessau seit 2002 gemeinsam mit der SALEG (Sachsen-Anhaltinische Entwicklungsgesellschaft mbH) die Internationale Bauausstellung Stadtumbau 2010 durch. Mittlerweile nehmen 19 Städte in Sachsen-Anhalt teil. Sie alle wollen vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs modellhafte Lösungen für Städte anbieten, die diesen Wandel erleben - einen Wandel, der inzwischen weite Teile der Welt erfasst hat. Wir greifen damit ein Thema von internationaler Relevanz auf. Was sind die großen Themen in der Architektur von morgen? Akbar: Armut und Ökologie. Wie gehen wir mit dem Elend in den Städten um, wie mit dem Klimawandel und wie mit unseren Ressourcen? Hinsichtlich der Wirtlichkeit der Städte ist die Frage, wie wir unseren Städten ihre spezifischen Gesichter geben. Wir müssen aufpassen, nicht in der globalisierten Massenware zu ersticken. Die Stiftung Bauhaus Dessau publiziert ihre Schriften jetzt in Eigenregie und nicht mehr mit ihren bisherigen Partnerverlagen. Warum? Akbar: In der Reihe der Stiftung "Edition Bauhaus" werden künftig sowohl Publikationen in Selbstregie als auch in Verlagskooperation erscheinen. Dies hängt von der Signifikanz der Themen und Projekte ab. Grundsätzlich ist aber anzumerken, dass die Edition in kleinen Auflagen erscheint. Sie spricht vor allem Leserschaften aus Fachkreisen an. Beim Vertrieb kommt uns die wachsende Bedeutung der Online-Bestellungen entgegen. Mehr zum Bauhausjahr 2009, zu Ausstellungen, Büchern und Projekten im BÖRSENBLATT plus Kunst & Architektur, das heute erscheint.