Schweiz

Buchhändler wollen keine "Lex Amazon" und auch keine zu tiefen Buchpreise

11. November 2008
Redaktion Börsenblatt
Die im Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) organisierten Mitglieder wollen keine gesetzliche Bevorzugung des Internethändlers Amazon und auch keine massiven staatlichen Eingriffe in der Preisgestaltung für importierte Bücher. Das ist das Fazit einer ersten Diskussion zu dem am Montag veröffentlichten Vorentwurf eines Bundesgesetzes über die Preisbindung für Bücher (BuPG) in Olten. Eingeladen zur ausserordentlichen Generalversammlung hatte der SBVV.
Am Montagmorgen trafen die Dokumente per E-Mail ein: zum einen der Vorentwurf für das BuPG, zum anderen der erläuternde Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N). Die ausserordentliche Versammlung diente als erster Pulsnehmer und zeigte zwei Konfliktherde des Entwurfs in ganzer Breite: Der Geltungsbereich des Gesetzes klammert den grenzüberschreitenden elektronischen Handel mit Büchern aus, und «allfällige Preisüberhöhungen gegenüber den in den Nachbarländern gehandhabten Preisen unterliegen der Missbrauchsaufsicht durch die Preisüberwacherin oder den Preisüberwacher», heisst es in Artikel 4, Absatz 3 des PuBG. Weitere Eckpunkte des Entwurfs, der auf der Homepage http://www.admin.ch als Dokument zum Download bereit steht, sind Mengenrabatte und Bibliotheksrabatte, deren entsprechende Gesetzesartikel allerdings nicht als «Killerartikel» bezeichnet wurden. "Nicht annehmbar" ist für den Wettbewerbsrechtler Jürg Borer die Ausklammerung ausländischer Internetanbieter aus dem Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs, weil damit Schweizer Anbieter diskriminiert würden. Die Begründung der Kommission, den grenzüberschreitenden Handel "aus hoheitsrechtlichen und vollzugsspezifischen Gründen" nicht unter die Preisbindung zu stellen, sei falsch, denn das internationale Privatrecht lasse Klagen in der Schweiz zu, wenn ein ausländischer Anbieter den Schweizer Markt störe. Im Grund handle es sich hier um eine "Lex Amazon", meinte der Jurist. Für die Teilnehmer war klar, dass dieser Halbsatz aus dem Gesetzestext gestrichen werden muss, "weil sonst das Gesetz nichts wert ist", ergänzte Thomas Liechti von der Berner Buchhandlung LibRomania. Weit problematischer verhält es sich mit der Preisfestsetzung. "Mit dem Gesetzestext könnten alle leben, aber im Kommentar geht es klar um eine Begrenzung der Preisüberhöhung von acht Prozent. Würde sich diese Obergrenze durchsetzen, ginge der Buchhandel unter", erklärte Jacques Scherer, Sekretär des Westschweizer Branchenverbands ASDEL. Und SBVV-Präsidentin Marianne Sax will "vermeiden, dass die Behörde die Preise festsetzt. Wir brauchen eine Missbrauchsdefinition", sagte sie. Denn in die Schweiz importierte Bücher (und das sind 80 Prozent des Sortiments sowohl in der Deutsch- als auch in der Westschweiz und im Tessin) können nicht zum preisgebundenen Euro-Kurs umgerechnet und verkauft werden. Tatsächlich ist das Bandbreitenmodell, das der Schweizer Buchrat am 23. April 2007 den Medien präsentiert hatte, nicht mehr im PuBG enthalten. Stattdessen heisst es wörtlich im erläuternden Bericht, der sich auf eine Analyse des Preisüberwachers bezieht, die lediglich eine Überhöhung von zwölf Prozent zulässt (Löhne, Mieten): "Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze bedeutet dies, dass die gerechtfertigte Überhöhung des Schweizer Preises maximal 8 Prozent über dem deutschen Endverkaufspreis liegt." Derweil hatte das Bandbreitenmodell vorgesehen, dass "der Endverbraucherpreis zwischen Null und Zwanzig Prozent über dem Referenzkurs liegen darf. Nicht darüber und nicht darunter." Für Schwabe-Verleger David Marc Hoffmann ist nicht die Preisbindung das Hauptproblem, sondern "die unklare Definition des Missbrauchs", und auch SBVV-Vizepräsident Richard Bhend ist sich bewusst, dass "es Kröten zu schlucken" gilt, die aber laut SBVV-Geschäftsführer Dani Landolf nicht die Wirtschaftlichkeit einer ganzen Branche ruinieren dürfen. Die WAK-N folgt in ihrer Argumentation nicht dem SBVV und schon gar nicht dem vom Buchrat ausgearbeiteten, gesamtschweizerisch akzeptierten Bandbreitenmodell, sondern dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Die Kompetenz zur Preisfestlegung soll dem Preisüberwacher übertragen werden, der im Vergleich zu ähnlichen ausländischen Institutionen über gesetzliche Grundlagen für seine Interventionen besitzt. So hält der Vorentwurf fest: "Nötigenfalls kann die Preisüberwacherin oder der Preisüberwacher die zulässige Preisdifferenz mittels Allgemeinverfügung branchenweit unter Berücksichtigung der Sprachregionen festlegen." Allerdings darf er zu dieser Verfügung erst greifen, wenn keine einvernehmliche Regelung mit den Branchenteilnehmern zustande kommt. Für die WAK-N ist klar: "Eine Preisüberhöhung von bis zu 20 Prozent entspricht ungefähr dem Doppelten dessen, was der Preisüberwacher unter dem Sammelrevers als gerechtfertigt ansah." Fazit: Das BuPG will die Buchhändler zu deutlich tieferen Preisen zwingen als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen war und behilft sich dabei auch der Ausnahmeregelung für grenzüberschreitenden Handel. Wörtlich heisst es im erläuternden Bericht deshalb: "Wenn, wie im Vorentwurf vorgesehen, der Preisüberwacher garantiert, dass die Preisunterschiede nur noch geringfügig sind, können ausländische Internetplattformen die Buchpreisbindung in der Schweiz nicht untergraben." Der Zentralvorstand des SBVV wird nun auf der Basis der an der ausserordentlichen Generalversammlung erhobenen Stimmung und Voten zum Vorentwurf eine ausführliche Stellungnahme erarbeiten und diese dann auch publizieren als offizielle "Vernehmlassung", wie dies im eidgenössischen Politverfahren heißt. Die WAK-N wird nach Abschluss dieses Verfahrens am 2. Februar den Vorentwurf noch einmal überarbeiten müssen, bevor der Gesetzesentwurf frühestens im Mai oder Juni kommenden Jahres im Nationalrat zur Debatte gelangen wird.