Zeit vergeht. Und das, wie wir leider wissen, kaum je in der Geschwindigkeit, die uns recht wär. Zwischen dem verweile doch (J.W.v.G.) und dem im Sauseschritt (W.B.) erlaubt sie sich ungefragt ihr eigenes Tempo, und das bekanntlich nur in eine Richtung. Wenig Sinn macht es da, sich wie eine Ente beim Landen mit den Füßen gegen das Fließen zu stemmen: auch wenn man dann sitzt, fließt der Fluss mit einem weiter.
Ach du liebe Zeit, das klingt ja ordentlich melancholisch. Ist aber doch nur die eine Seite. Die andere heißt natürlich, dass mit der Zeit auch so manches andere vergeht. Die Krise zum Beispiel, garantiert. Sie können zwar nicht so lange die Luft anhalten, bis es so weit ist, aber selbst wenn Sie bis dahin eine Runzel mehr im Gesicht haben sollten eines Tages werden wir Josef Ackermann auf seiner Datscha am Lago Maggiore in der Sonne sitzen sehen, er macht das V-Zeichen, und wir wissen: Es gibt wieder Kredit auf Pump. Oder umgekehrt.
Bis dahin ist es Pflicht, so zu tun, als wär nichts. Nichts Schlimmes wohlverstanden. Denn tatsächlich haben wir ja die Neigung, in jeder Neuerscheinung bereits den Ramschposten zu wittern, und lassen die Tage der Freuden (M.P.) vorübergehen, als sei das Ende des Flanierens (P.H.) verkündet und der grüne Heinrich (G.K.) nur noch ein grauer Heinz.
Aber, was ist Zeit, gemessen am Atem der Welt, wie der Tiger von Eschnapur (F.L.) meint und damit noch mal eine ganz andere Dimension ins Spiel bringt. Ja, der Atem (H.M.) der Welt, bisweilen (s.o.) pfeift er einem ja ganz schön um die Nase (N.G.), und die Wellen (V.W.) der Brandung (M.W.) gehen hoch. Meist aber signalisiert er die Gelassenheit, die man braucht, wenn man sich zurückzieht, um zu lesen, abends unter der Lampe oder auch nachts, unter Bäumen (M.K.), die großen Romane, die uns die Welt erzählen. Da kann dann selbst das kurze Leben (J.O.) auch eines Mannes ohne Eigenschaften (R.M.) ein Leben (I.S.) sein, das zu verfolgen sich lohnt.
Die Gelassenheit ist ja nicht bloß die Ruhe vor dem Sturm (T.F.); sie kann auch das Ergebnis langer Erfahrung sein. Ein Mann wird älter (I.S.) Frauen wundersamerweise nicht , das ist nun mal so, aber wenn er mit seinem Tun genug Akzente (C.H.V.) gesetzt hat, dann darf er seine Jahrestage (U.J.) zählen und sich ein wenig zurücklehnen: Er hat sich einen Abend mit Goldrand (A.S.) verdient, und sein Nachsommer (A.S.) wird ihm noch ein paar schöne Tage (F.I.) bescheren. Aber bis dahin ist es noch weit. Bis dahin ist noch oft Gelegenheit, ein wenig am Nachruhm zu basteln, ja vielleicht nimmt er sich sogar die Zeit, aus seinem Leben noch einmal einen Roman zu machen. Nein, wir erwarten da keine Bekenntnisse (A.) als Frauenheld (R.F.), so etwas wie ein Porträt des Künstlers als junger Hund (D.T.) würde uns schon genügen. Wieso ich? (M.K.) wird er da vielleicht fragen, und dann sagen wir: Weil das Ende des Romans (M.K.) immer der Anfang des nächsten sein sollte und hinter der Grenze (M.K.) des einen Tages immer der nächste aufscheint. Und weil du es kannst, lieber Verlegerdichter. Wie so vieles.