Mit anderen Worten: Man soll einfach mal über den eigenen Horizont blicken und seinen Tellerrand erweitern. Oder so ähnlich. Einfach mal loslassen von den alltäglichen Problemen eines BV-Studenten. Die Kosten- und Leistungsrechnung hinter sich lassen, ebenso das frequenzmodulierte Raster, das Nachfrageverhalten im Buchhandel und die quantitative Markpotentialabschätzung. Und was zur Hölle ist eigentlich dieses google?
Meine Wahl fiel auf den Kurs Kreatives Scheiben. Weil mir das Spaß macht und ich doch gehofft habe, etwas für mein eigentliches Studium mitnehmen zu können. Dass der Kurs schon nach einem Wochenende und ohne jegliche Prüfung wieder hinter mir liegen sollte, war ein willkommener Nebeneffekt.
Und so saßen wir Freitagmorgen voller Erwartung im Seminarraum Li 125. Erwartung gepaart mit einem Hauch Ungewissheit. Wurde der Kurs doch angekündigt als Aktivierung und Sinnfindung, Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung, die das Vorhandene, Vollendete und Verfügbare in uns freisetzen sollte. Als dann auch noch angekündigt wurde, dass es ein Ziel des Kurses sei Meinen eigenen Wert, meine eigene Vollkommenheit zu erahnen, zu berühren und zu entdecken, war meine persönliche Scherzgrenze erreicht.
Sollte uns eine spirituelle Reise zu uns selbst erwarten? Würden wir den Sinn des Lebens erfahren? Unser inneres Gleichgewicht finden? Oder am Ende des Seminars weinend und dabei Hand in Hand auf dem Boden liegen, geplagt von der Erkenntnis, nicht mehr mit uns selbst im Reinen zu sein?
Heute muss ich sagen, dass es enorm viel Spaß gemacht hat. Geweint habe ich tatsächlich einmal allerdings vor lachen. Der Kreativität wurden keine Grenzen gesetzt und der angekündigte und anfangs belächelte geschützte Raum erwies sich dabei als äußerst hilfreich. So konnte fröhlich gesponnen werden. Es entstanden Unterhaltungen von Fliegen, die über einem Picknickkorb schwebten, Monologe von Sportzeitungen, die auf dem Fischmarkt zweckentfremdet wurden und von Manni, dem Bodybuilder aus Gelsenkirchen, der mit seiner Sailor Moon-Puppe im Arm begraben wurde und nun von einer hungrigen Spinne gebeten wird, doch endlich ins Licht zu gehen. Highlight der Veranstaltung war zweifellos die Zettellawine, in der jeder Teilnehmer ein paar Sätze zu einer Geschichte schrieb und den Zettel dann weiterreichte. Als ich meine begann, erwartete ich als Resultat eine Liebesgeschichte, wie sie in Serien wie GZSZ oder den berühmten Groschenromanen nicht kitschiger hätte werden können. Am Ende hielt ich das Drehbuch zu einem Gemetzel in der Hand, wie es Quentin Tarantino nicht grausamer und blutiger hätte schreiben können. Dass mir just in dem Moment Tränen vor lauter Lachen in die Augen schossen, kann man getrost als Situationskomik bezeichnen.
Nach einem Wochenende der geistigen Ablenkung kann jetzt das Studium wiederkommen. So langsam dämmert mir wieder, was es mit der KLR auf sich hat und dass ich das mit der quantitativen Marktpotentialabschätzung vielleicht noch einmal nachlesen sollte. Aber keine Panik google habe ich mittlerweile auch schon wieder für mich entdeckt.