FIL Guadalajara – der fünfte Tag

4. Dezember 2008
Redaktion Börsenblatt
60 Jahre Frankfurter Buchmesse – was im Oktober bei der Mutter aller Buchmesse gefeiert wurde, das darf auch bei der FIL in Guadalajara nicht unbefeiert bleiben. Weshalb die Ausstellungs- und Messe-GmbH zur Mittagszeit zu kaltem Süppchen und nicht ganz so kaltem Wein am deutschen Stand eingeladen hatte. Und auch dabei zeigte sich: Der Verleger an sich ist durstig, immer hungrig und stets bereit, ein Getränk im Dienste des Buches zu konsumieren, ganz egal auf welchem Kontinent.
Wobei das Feiern des eigenen Jubiläums für die Frankfurter hier in Guadalajara durchaus angebracht war: Erstens haben die AuM-Macher es sich redlich verdient und zweitens hat die Frankfurter Buchmesse bei der positiven Entwicklung der kleineren Schwester in Guadalajara sehr erfolgreiche und konstruktive Hilfe geleistet. Ex-Buchmessedirektor Peter Weidhaas stand ganz entscheidend Pate beim Start der FIL, das Frankfurter Team stand immer wieder mit Rat und Tat zur Verfügung, sei es beim Transfer von Know How oder bei Lösungsvorschlägen für diffizile branchenpolitische Konflikte. Bis heute ist das Verhältnis zwischen den beiden Messen ausgesprochen herzlich, bis heute genießt Peter Weidhaas in Mexiko – und in vielen anderen Ländern – einen verdient legendären Ruf. Dieser legendäre Ruf von Peter Weidhaas hat viel mit seiner Königs-Erfindung zu tun, dem Gastländerprogramm, das 1976 mit einem großartigen Festival der lateinamerikanischen Literatur in Frankfurt seinen Ursprung hatte. Damals war fast ganz Lateinamerika unter der Knute faschistischer Diktatoren: Frankfurt 1976 war ein Fanal für die Sichtbarkeit der anderen, der besseren Seite des Subkontinents. Nach langer Zeit – zuletzt war 1994 Brasilien Gastland in Frankfurt – kehrt  Lateinamerika 2010 mit Argentinien zurück in den Blickpunkt der Frankfurter Buchmesse. Damit präsentiert sich die nach Spanien und Mexiko drittgrößte Buchbranche der Welt – nach Angaben des regionalen Statistikzentrums CERLALC sind 465 Verlage im Land der Gauchos tätig, die 2006 fast 19.000 Titel produzierten. Marifé Boix García, auf Seiten der Frankfurter für die Vorbereitung des Gastland-Auftritts zuständig, nutzte denn auch die FIL, um ihre wichtigen Kontaktpersonen zu treffen. Ihr Fazit: Zwei Jahre vor dem Gastland-Auftritt wird in Argentinien heiß diskutiert und eifrig geplant. Selten hat ein Gastland-Auftritt im eigenen Land so früh soviel Öffentlichkeit gefunden. Auslöser war eine Äußerung der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner, die sagte, in Frankfurt müsse sich Argentinien mit den vier wichtigsten Ikonen der neueren Geschichte des Landes präsentieren: Maradona, Evita, Gardel und Che Guevara. Lautstarkes Hüsteln der Literarios am Rio de la Plata war die Folge – ob denn ein drogensüchtiger Ex-Kicker, eine fragwürdige Polit-Darstellerin und ein Revoluzzer, dem ein Menschenleben nicht so besonders wichtig war, tatsächlich zu Aushängeschildern taugten, wurde gefragt („Carlitos“ Gardel, die Tango-Ikone der 30er Jahre, wird von niemandem in Frage gestellt). Und da sei doch bei einer Buchmesse möglicherweise auch jemand ikonenhaft einsetzbar, der sich mit dem Beschriften von Papier beschäftigt habe, wurde gesagt, Borges vielleicht oder Cortazar? Der Streit wogte heftig und Borges und Cortazar wurden tatsächlich regierungsamtlich zu Aushängeschildern erklärt . Gut. Und: Durch den Streit ist in Argentinien jetzt tatsächlich jedem literarisch interessierten Menschen bekannt, dass 2010 ein besonderes Jahr werden wird. Aber auch die deutschen Verleger haben guten Grund, sich für Argentinien und seine Literatur zu interessieren. Neben den literarischen Ikonen Borges und Cortazar gibt es auch unter den jüngeren Autoren vieles zu entdecken. Lucía Poenza etwa, die Autorin und Filmemacherin, deren 2004 erschienener Erstling im Frühjahr bei Wagenbach erscheinen wird. Oder die fantastische Kinderbuch-Illustratorin Mónica Weiss. Oder der Krimiautor Osvaldo Aguirre, oder …. Behilflich beim Entdecken sein werden diverse Stiftungen und Regierungsinstitute in Argentinien, die neue Töpfe für Übersetzungsförderung aufmachen werden. Und nicht zuletzt die Frankfurter Buchmesse, die im kommenden Frühjahr Informationsreisen für die deutsche Buchbranche nach Buenos Aires anbietet. Und auch wir Journalisten sollten nicht zu kurz kommen beim Auftritt der Argentinier – die Versorgung mit exzellenten Steaks sollte kein Problem sein. Lesetipp von Ana Maria  Cabanellas (Ed. Heliasta, Buenos Aires, Präsidentin der Internationalen Verleger-Union):  Alejandro López: La asesina de Lady Di. (Ed. Adriana Hidalgo, Buenos Aires). Holger Ehling war Leiter der Unternehmenskommunikation sowie stv. Direktor der Frankfurter Buchmesse und berichtet seit rund 20 Jahren als Reporter und Korrespondent für das Börsenblatt über die Buchmärkte der Welt.