FIL Guadalajara – ¡hasta luego!

9. Dezember 2008
Redaktion Börsenblatt
Terminado, Schluss, Good Bye: Lateinamerikas wichtigste Bücherschau ist für dieses Jahr beendet, Buchkäufer und Aussteller haben ein letztes Mal zufrieden das Gelände verlassen, nach der Messe ist vor der Messe, nos vemos a la FIL 2009.
Tatsächlich hat die FIL in Guadalajara die ambitionierte Erweiterung ihrer Ausstellungsfläche um mehr als 20 Prozent glänzend verkraftet: Die vergrößerten Stände vor allem der einheimischen Aussteller sowie die teils massiven Großflächen der lateinamerikanischen Gemeinschaftspräsentationen schufen mehr Raum zur Präsentation, zur Orientierung und zum Verkauf. Vor allem die Intensität der Nachfrage nach Büchern überraschte viele der Aussteller: Großverlage wie Santillana, Planeta oder Random House Mondadori berichteten von Umsatzsteigerungen auf der Messe von bis zu 80 Prozent, für das kommende Jahr liegen von allen Großausstellern Wünsche zur nochmaligen Standerweiterung vor, berichtet Messechefin Nubia Macías. Wenn denn tatsächlich diese Erweiterungen geschehen, würden die Aussteller in Guadalajara ein Signal setzen gegen den allgemeinen Pessimismus angesichts der Finanzkrise. Zahlreiche Buchmessen in Europa haben ihre Prognosen für das kommende Jahr bereits deutlich zurückschrauben müssen. Tickt Lateinamerika anders in Sachen Wirtschaftskrise? Möglicherweise ja, sagt Nubia Macías und gibt zu bedenken, dass die wirtschaftlichen Katarstrophenmeldungen in Europa und Nordamerika für Mexiko und viele andere Länder Lateinamerikas nicht viel mehr sind als regelmäßig sich wiederholden Szenarien. Man ist in diesen Dingen abgebrühter, weiss, mit Krisensituationen umzugehen. Gleichzeitig bestehen durch den hohen Anteil des Staats an Buchproduktion und Buchvertrieb, der in fast allen Ländern Lateinamerikas zu beobachten ist, eine andere Geschäftsgrundlage für die hiesigen Verleger: In Mexiko etwa produziert der Stadt selbst rund 54 Prozent aller Bücher und kauft zusätzlich rund ein Drittel der bei privaten Unternehmen hergestellten Bücher auf. Diese bestehenden Ankaufprogramme werden zwar im kommenden Jahr gekürzt werden, gleichzeitig wurde gerade mit „México lée“ – Mexiko liest! eine neue, ehrgeizige Kampagne zur Leseförderung aufgelegt, die einen allzu deutlichen Einbruch der Umsätze mit staatlichen Käufern nicht erwarten lässt. Der Verkaufserfolg auf der Buchmesse in Guadalajara ist natürlich schön für die Aussteller und für die Messemacher. Aber er rückt auch den großen strukturellen Mangel des Buchvertriebs in ganz Lateinamerika noch einmal sehr deutlich ins Blickfeld: Nirgendwo sind auch nur ansatzweise die Handels- und Vertriebsstrukturen so entwickelt, dass Aussicht bestünde, auf Sonderveranstaltungen wie Buchmessen als Verkaufsinstrument gegenüber den Endkunden verzichten zu können. Womit auch die eifersüchtige Frage beantwortet wäre, die von der spanischen Tageszeitung El País aufgeworfen wurde: Warum solch eine Buchmesse ganz prima in Mexiko entwickelt werden kann, während im alten Iberien keine Buchmesse ein Bein auf den Boden bringt. Die Anwort: Es fehlt für die spanischen Verlage ganz offensichtlich die Notwendigkeit, im Heimatmarkt eine Buchmesse zu etablieren, die über das hinausgeht, was jetzt bereits geleistet wird. Die deutschsprachigen Verlage, die in Guadalajara präsent waren – Klett, Peter Hammer, Schöffling, Bohem, Atlantis - hatten natürlich weniger Interesse am Endkundengeschäft. Hier ging es um Kontaktaufbau und –pflege, Lizenzgespräche, Kooperationen und ähnliches. Alle, die angereist waren, zeigten sich zufrieden: Man wolle aber gar nicht so genau erzählen, was man hier erreicht habe, sonst stehe im kommenden Jahr die liebe Konkurrenz auch am Stand, wurde der neugierige Börsenblatt-Blogger beschieden. Auch gut. Den  Machern des deutschen Gemeinschaftsstands würde es natürlich behagen, wenn mehr Konkurrenz sich präsentieren würde: Dank der Ausschreibungsgepflogenheiten des Bundeswirtschaftsministeriums hatte in diesem Jahr die Nürnberg Global Fairs den Zuschlag für die Ausrichtung erhalten. Dabei bedienten sich die Franken der fachlichen Beratung der Frankfurter Buchmesse, die jahrelang den Auftrag für diese Messebeteiligung gehabt hat. Ob das aus ordnungspolitischen Gründen wirklich sinnvoll ist, wenn ein fachfremder Durchführer beauftragt wird, der dann alle Informationen, die für die Arbeit nötig sind, sich woanders besorgen muss, das mögen andere befinden. Betriebswirtschaftlich sinnvoll  für die beteiligten Firmen ist das jedenfalls nicht. Was bleibt nach acht anstrengenden Messetagen? Die Gewissheit, dass hier ein wirklich gelungenes Bücherfest stattgefunden hat, das in seiner Art wirklich nützlich ist für die Entwicklung der gesamten Branche. Was man nicht von allem sagen kann, was in der Bücherwelt passiert. Lesetipp von Jan-Cornelius Schulz Sawade (Herder México): Fernando del Paso, Palinuro de México. Roman aus der Zeit des demokratischen Aufbruchs in den 60er Jahren. Auf Deutsch bei der Frankfurter Verlagsanstalt. Holger Ehling war Leiter der Unternehmenskommunikation sowie stv. Direktor der Frankfurter Buchmesse und berichtet seit rund 20 Jahren als Reporter und Korrespondent für das Börsenblatt über die Buchmärkte der Welt.