Stabwechsel bei der Internationalen Verleger-Union

2. Januar 2009
Redaktion Börsenblatt
Das neue Jahr beginnt (ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg!!!) und in der Welt der Verleger haben wir einen neuen Ober-Vorsitzenden zu begrüßen: Herman P. Spruijt (60), Aufsichtsratsmitglied beim niederländischen Wissenschaftsverlag Brill, übernimmt am 1. Januar die Präsidentschaft der Internationalen Verleger-Union (IVU) und folgt auf die Argentinierin Ana Maria Cabanellas, die das Amt in den vergangenen vier Jahre innehatte.
Der Amtswechsel ist Routine, und mit Spruijt, bisher schon Vizepräsident der IVU, wurde der allseits erwartete und geschätzte Kandidat auf den Schild gehoben. Glückwunsch. Womit wir dann allerdings zu der Frage kommen, worin eigentlich der Sinn der IVU besteht. Denn die Mitgliedschaft – zumal für große Verbände wie den Börsenverein – in diesem Weltverband der Verlegerverbände, den es seit 1896 gibt, ist nicht eben billig. Ein Blick auf die (recht konfuse) Website der Organisation (http://www.internationalpublishers.org) bringt erste Klärung: Kampf gegen Zensur, Schutz des Urheberrechts, Leseförderung und Alphabetisierung sowie die Förderung und Vertretung der Verlage als Teil der „Creative Industries“ hat man sich aufs Panier geschrieben. Und man betont, dass die IVU als anerkannter Partner bei UNO, Unesco und dergleichen registriert ist. Das liest sich gut. Aber: Was kann der Ober-Verband tun, was nicht auf nationaler Ebene bereits getan würde? Leseförderung und der Kampf gegen das Analphabetentum sind hoch komplexe Aufgaben, die nur in akribischer Detailarbeit auf nationaler und regionaler Ebene angegangen werden können. Die alljährliche Benennung einer Stadt zum „World Book Capital“, die von der IVU vorgenommen wird, wird als Beispiel für die Leseförderungsarbeit genannt. Nun ja… Zum Schutz des Urheberrechts sind internationale Organisationen wie WIPO oder IFFRO nicht so schwächlich aufgestellt, dass sie hilfsbedürftig erschienen. Immerhin bietet die IVU Beratung an, wenn es um Lobbyarbeit und die Formulierung von Initiativen auf nationaler Ebene geht. Das könnte nützlich sein. Was die Rolle der Verlage in den „Creative Industries“ angeht – fragen Sie mal einen Kulturpolitiker in Berlin, Paris oder Ouagadougou, was er/sie unter diesem Begriff versteht. „Film“ wird die Antwort sein. Und der Nutzen von Konsultationen mit der Unesco und anderen derartigen Organisationen erschließt sich in der Regel ausschließlich denjenigen, die in diese Konsultationen eingebunden sind. Bleibt noch der Kampf gegen die Zensur. Da hat die IVU seit Jahren Zeichen gesetzt, mit dem „Freedom to Publish Prize“. Zuletzt wurde im September 2008 der türkische Verleger Ragip Zarakolu ausgezeichnet, der mit seinem Verlag Belge seit mehr als 30 Jahren gegen Nationalismus und Zensur in seinem Heimatland angeht und mehrfach zu Haftstrafen verurteilt worden ist. Hier ist wohl auch der wichtigste Bereich, in dem ein international agierender Verbände-Verband aktiv sein kann: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein unveräußerliches Grundrecht, das weltweit verteidigt werden muss und verteidigt werden kann. Die Freiheitsfreunde aus China, Kuba oder Burma lassen sich zwar auch von solchen öffentlichen Bekundungen nicht beirren. Aber vielleicht kann die IVU ja dazu beitragen, dass diese Freiheitsfreunde nicht allzu kriecherisch hofiert werden. Nun ist es ja nicht so, dass die Aufgaben, die der Verband sich gestellt hat, unwichtig wären. Und die bisherige Präsidentin Ana Maria Cabanellas hat in den vergangenen Jahren mit ungeheurem Fleiß bei allen sich bietenden Gelegenheiten hingewiesen auf die Bedeutung des Lesens als grundlegende Kulturtechnik, auf die weltweite Urheberrechtsproblematik, auf die allerorten um sich greifenden staatlichen und privaten Zensurbestrebungen. Grundlegende Veränderungen der Situation sind dadurch leider nicht erzielt worden. Ein gewaltiges Problem der IVU ist bislang ihre weitgehende Nicht-Präsenz in der Öffentlichkeit. Nicht einmal die Fachmedien der Welt nehmen wirklich Notiz davon, was in Genf gedacht und getan wird. Selbst der alle vier Jahre stattfindende große Weltkongress der IVU (zuletzt im Juni 2008 in Seoul, vier Jahre vorher in Berlin) findet in der Fachöffentlichkeit nur dürftigste Resonanz. Es wäre zu wünschen, dass Herman J. Spruijt und die IVU in den kommenden Jahren in diesem Bereich zulegen: An Fachkompetenz mangelt es bei Präsidium und Mitarbeitern sicherlich nicht. Wir wünschen jedenfalls gutes Gelingen! Holger Ehling war Leiter der Unternehmenskommunikation sowie stv. Direktor der Frankfurter Buchmesse und berichtet seit rund 20 Jahren als Reporter und Korrespondent für das Börsenblatt über die Buchmärkte der Welt.