Meinung

Geist schlägt Geld

2. Januar 2009
Redaktion Börsenblatt
Warum wir gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen können. Schlagende Einsichten und erfreuliche Aussichten von Joseph von Westphalen.
Das ist doch schon mal was wert, ein echter Gewinn: Endlich haben wir wieder ein Feindbild. Die Banker, diese Raffkes! Obwohl es schon irritiert, dass wir mit unserem Zorn auf­seiten des Bundespräsidenten stehen, gegen den wir doch auch unsere Vorbehalte haben oder hatten. Deswegen gehen wir ein paar Schritte weiter, pfeifen auf Gerechtigkeit und Schuldfrage und verdammen bei der Gelegenheit gleich weitere Berufsgruppen: nicht nur die Anlageberater, sondern auch noch die Unternehmensberater, die Börsenmakler, die angeblich nur im Namen ihrer gierigen Kundschaft den Wahnsinn auf die Spitze trieben, die Betriebswirtschaftler, die doch nur lernen, wie man den Aktionären zuliebe Leute rausschmeißt. In den Staub mit dieser Reicherleutesgeldvermehrungsbande. Kleine Erinnerung an das verpönte Symboljahr 1968 und folgende: Wer damals BWL studierte, wurde als aussätzig angesehen. Das waren die allerletzten Typen. Die durften keine linke Wohngemeinschaft betreten. Irgendwann haben es diese Leute mit ihren lächerlichen Anzügen und Schlipsen und ihrer fürchterlichen Höflichkeit erreicht, dass man sie nicht mehr verachtete, sondern als dämlich grinsenden Bestandteil des Systems hinnahm. Ein Fehler. Der Instinkt war richtig. Man hätte ihnen nie vertrauen dürfen. Als Autor habe ich mit diesen Leuten zum Glück nichts zu tun. Aber ich weiß, wie mittelgroße Verleger es gehasst haben, bei den Schnöseln ihrer Hausbank vorzusprechen und diesen an Literatur gänzlich desinteressierten Gestalten etwas von vielversprechenden Romanen zu erzählen, um einen Kredit für die nötige Vergrößerung der Kapitaldecke zu erhalten. Entwürdigend, wenn der Geist dem Geld in den Arsch kriechen muss. Das ist vorbei. Der Ruf der Banker ist verspielt. Selbst die paar bockigen Exem­plare der Spezies, die noch in Talkshows herumsitzen, wagen nach all dem Unsinn, den sie jahrelang erzählt haben, nun keine Prognosen mehr, was das Ende der Krise betrifft. Im Umkehrschluss folgt, dass wer keine Ahnung von Geldgeschäften hat, befugter ist, in die Zukunft zu blicken – zumindest in die Zukunft der Zunft. Trotz aller Bedrohungen und allen Entlassungsgeflüsters ist gerade in den Kulturredaktionen der Zeitungen und Zeitschriften eine seltsame Heiterkeit und Aufbruchsstimmung zu spüren. Kein Wunder. Irgendwie waren Geld und Geist immer Gegner, auch wenn sie sich brauchten. Das Geld ist weg, knock-out, der Glaube daran verloren. Der Geist ist klarer Sieger. Wir haben recht gehabt. Und das macht Laune. Wer gute Laune hat, kommt auch an Geld. Schluss mit dem Gedümpel, jetzt strömt es wieder. Eine Fülle neuer Stoffe für Bühne und Roman tut sich auf. Langsam ist es auch gut mit den seit Jahren geforderten und dann reichlich geschriebenen Hauptstadt-Romanen, den Wende- und Vor-Wende-Romanen. Jetzt wissen wir in etwa, was in Berlin los ist und wie die DDRler getickt haben. Jetzt haben wir Autoren die etwas eklige, aber auch lohnende Aufgabe, uns in das vermutlich ziemliche leere Hirn einer Heuschrecke zu begeben, um so herauszufinden, was diese Tierart angetrieben hat, ob ihr Verstand ausreicht, um so etwas wie eine Einsicht zu empfinden, oder ob diese Lebewesen tatsächlich nur in der Lage sind, nach dem angerichteten Schaden wie der unvergessliche Mannesmann-Esser diffus aus der Wäsche zu glotzen oder wie Josef »Victory« Ackermann jetzt lausbübisch Reue zu heucheln. Von dem Autor erscheinen jetzt: »Aus dem Leben eines Lohnschreibers. Geschichten« (Sammlung Luchterhand) und »Zur Phänomenologie des arbeitenden Weibes. Zwölf Eroberungsversuche« (Haffmans bei Zweitausendeins) Gibt es sie tatsächlich – die guten Seiten der Krise?