Ganz klar: Das KaDeWe in Berlin wird es auch in 20 Jahren noch geben. Es ist eine Touristenattraktion, profitiert von einem klaren Luxusprofil. Aber als Standardangebot dürfte das Kaufhaus in deutschen Innenstädten auf mittlere Sicht zum Auslaufmodell werden. Karstadt ist angeschlagen, Hertie musste Insolvenz anmelden und sucht noch immer einen Retter: Die Krise der großen Gemischtwarenläden von gestern ist kein Geheimnis. Ihr Niedergang geht Hand in Hand mit dem Siegeszug der innerstädtischen Shopping-Malls.
Shopping-Malls sind für das Schlendern, das Flanieren gemacht. Die großen Markennamen, die mehr denn je als Leitbild für den Konsumenten dienen, können ihre Vorteile hier voll ausspielen. Der Angebotsmix fließt schon in die Planung ein und kaum etwas wird dabei dem Zufall überlassen.
Die Warenhäuser haben das zwar längst erkannt. Doch die Beweglichkeit der Konsum-Dinosaurier ist begrenzt. Denn Shop-in-Shop-Konzepte, die nachträglich in einen mehrstöckigen Kasten implantiert werden, erweisen sich häufig als fauler Kompromiss. Sie können es nur selten mit der Großzügigkeit, dem Erlebnis des Durchwanderns, dem raffiniert gelenkten Kundenstrom der neuen Einkaufszentren auf-nehmen und gefährden zugleich den zentralen Vorteil der »alten« Warenhausidee: die Offenheit und Durchlässigkeit der einzelnen Abteilungen, bei der Schwellenängste erst gar nicht aufkommen.
Die Warenhäuser haben auch Fehler gemacht, es beispielsweise versäumt, ihre eigene Marke und ihr Image konsequent weiterzuentwickeln. Schon die Schriftzüge künden vom Geist der 70er Jahre. Und ein Haus namens Karstadt kann, wenn man es beim Wort nimmt, schwer mit den schicken neuen Mall-Welten konkurrieren, die Alexa oder Westgate heißen.
Im Internet-Zeitalter zählt der Erlebniswert beim Einkauf doppelt. Die Kaufhäuser ziehen den Kürzeren, weil sie der Shoppingwelt im Netz, in der alles vom heimischen Sofa aus zu haben ist, weniger entgegensetzen können als das »ganzheitliche« Einkaufserlebnis unter dem gläsernen Malldach. Wer sich heute mit Mann und Maus auf den Weg in die Stadt macht, sucht offensichtlich mehr als ein gut sortiertes Warenangebot.
Restaurants, Plätze, Wasserspiele, Musik sorgen in den Einkaufszentren für scheinbar öffentliche, umfassend überwachte Schönwetterzonen, die sich oft zu beliebten Treffpunkten junger Leute entwickeln. Im Kaufhof-Café ganz hinten im vierten Stock trinkt höchstens noch die ältere Generation ihren Nachmittagstee.
Natürlich aus Sicht vieler Stadtliebhaber: glücklicherweise erfüllen auch Shopping-Malls kei-neswegs alle Bedürfnisse. Aber für das klassische Zielpublikum der Kaufhäuser sind sie die zeitgemäßere, attraktivere Alternative.
Was sie bieten müssten, das wissen die Kaufhäuser wohl. Doch sie können es räumlich und archi-tektonisch nur unter hohem Auf-wand umsetzen. Ein Weg in die Zukunft wird die individuelle Profilierung sein, ein Warenangebot, das auf bestimmte Themen und Zielgruppen zugeschnitten ist und sich von der Maxime »Alles für alle« verabschiedet. So wie die Berliner Dependance der Galeries Lafayette, die den Hauptstädtern Mode, Kosmetik, Accessoires und via Gourmetecke französische Lebensart vermittelt. CD-Player und Staubsauger haben in solchen Konzepten keinen Platz und Bücher wohl auch nur bedingt.
Hat das klassische Kaufhaus noch Zukunft?