Wie im Börsenblatt berichtet, ist der Buchhandelsumsatz im Privatkundengeschäft auf der Insel im abgelaufenen Jahr um 1,6 Prozent geschrumpft, auf nur noch 1,77 Milliarden Pfund (ca. 1,9 Mrd. Euro) im zweiten Halbjahr kam sogar ein sattes Minus von 5 Prozent zusammen. Die Zahl der verkauften Exemplare ging um 0,4 Prozent auf 237 Millionen zurück, der Durchschnittspreis der verkauften Exemplare um 8 Pence auf jetzt 7,49 Pfund (ca. 8,20 Euro), das ist der niedrigste Durchschnittswert seit Beginn der Auswertungen im Jahr 2001.
Das britische Branchenblatt The Bookseller betitelte seinen Bericht zu diesen Zahlen treffend mit Discounts fail to raise the market. Das ratlose Schulterzucken ist da schon überdeutlich: Bücher billig, Kunden störrisch das will mit dem Lehrbuchwissen nicht wirklich zusammen passen. Und trotzdem ist es wahr, weil nämlich die großen Kräfte im britischen Buchhandel einmal mehr vor allem sich selbst ins Knie geschossen haben, mit eben jenen Rabattschlachten, die es immer unmöglicher machen, brauchbare Ergebnisse zu produzieren.
Beispiel gefällig? Nachdem Joanne Rowling mit Harry Potter 7 im Jahr 2007 ein letztes Mal zum großen Umsatz-Halali geblasen hatte, schob die Heldin aller Buchverkäufer im vergangenen Jahr mit ihrem Beedle ein vergleichsweise bescheidenes Opus nach. Bloomsbury hatte einen offiziellen Verkaufspreis von 6,99 Pfund empfohlen angetrieben von der loss leader-Strategie der Supermärkte hüpften die Waterstones etc. reflexartig ebenfalls von der Preisklippe: Im Durchschnitt wurde Beedle für 3,99 Pfund verkauft. Das ist nur minimal über Einstandspreis und machte einmal wieder deutlich, dass es nun einmal keine wirklich gute Idee ist, ein gefragtes und knappes Gut künstlich zu verbilligen. Jedenfalls dann, wenn dieses knappe Gut nicht dazu führt, dass im Gefolge des Buchkaufs auch noch teure Zahnpasta, Fertiggerichte oder Toilettenartikel erworben werden.
Die Fixierung des britischen Groß-Buchhandels auf den rabattgetriebenen Popanz der Supermärkte ist nicht neu und das anschließende Jammern über die miesen Ergebnisse ist es ebenfalls nicht. Bei Waterstones hieß es in der Vergangenheit zur Erklärung dieser Betriebswirtschaft à la Lemming zumeist, man müsse die Rabattschlacht annehmen, um die Marke dahingehend zu positionieren, dass das geneigte Publikum ganz selbstverständlich erwartet, hier Bücher zum günstigen Preis erwerben zu können. Das ist vom Selbstverständnis her schon ziemlich dicht dran am Schinken-Achim.
Sie finden den Vergleich unziemlich? Das ist er nicht wirklich. Unser Schinken-Achim packt in guter Marktschreiertradition dem geneigten Publikum für wenig Geld kiloweise Kalorien in die Tüte. Ob das Zeug nun etwas taugt oder nicht, interessiert bei dieser Transaktion nicht wirklich. Und die Rabattschlacht im Buchhandel verändert in ähnlicher Weise auf Dauer auch die Buchlandschaft auf der Insel. Immer mehr Raum nehmen die kurzläufigen Umsatzdreher ein: Promi-Biografien, Kochbücher von Fernsehnasen und gerne auch mal Feuchtgebiet-artiges (auch wenn der Brite an sich da noch recht prüde ist). Das hinterlässt nach der Lektüre zwar Mundgeruch, aber was kümmerts den Verkäufer?
Waterstones hat schon vor knapp zwei Jahren angekündigt, sein Sortiment publikumsgängiger machen zu wollen: Kinderbücher und Postkarten sollen den Verkauf ankurbeln. Und außerdem will man effizienter werden.
Vielleicht würde ja auch die Besinnung auf buchhändlerische Professionalität helfen. Denn ausgerechnet die unabhängigen Buchhandlungen, deren Stimmen dieser Tage zu hören sind, klingen eigentlich recht zufrieden. Paul Sweetman etwa, Buchhändler in Brighton, schreibt in seinem Blog, dass die Kettenläden gut zehn Prozent weniger Kundschaft verzeichnet haben, während er wie auch seine Kollegen ordentliches Geschäft getätigt haben. Seine Erklärung: Weil die Independents nicht von den Verlagen für die prominente Platzierung von Titeln bezahlt werden, können die unabhängigen Sortimenter die Titel promoten, von denen sie wirklich überzeugt sind. Und sie können viel schneller und präziser reagieren auf unverhoffte Publicity für einen Autor oder ein Buch, auf Empfehlungen in den Weihnachts-Literaturbeilagen der Zeitungen undsoweiter.
Viele unabhängige Buchhändler setzen inzwischen ganz bewusst auf diese Stärken. James Daunt, mein persönlicher Lieblingsbuchhändler in London, hat nicht ein einziges herabgesetztes Buch in seinen Läden. Und seine Läden florieren.
Holger Ehling war Leiter der Unternehmenskommunikation sowie stv. Direktor der Frankfurter Buchmesse und berichtet seit rund 20 Jahren als Reporter und Korrespondent für das Börsenblatt über die Buchmärkte der Welt.