Gestaltung

"Ein grottenschlechter Kartoffeldruck"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Uwe Loesch ist jüngst in Leipzig mit dem Gutenberg-Preis ausgezeichnet worden. Der Kommunikationsdesigner hat Auftraggeber in aller Welt, würde aber gerne mal den Auftritt der Grünen generalüberholen. Ein Interview.

Ist es bei all der digitalen Euphorie, wie sie jetzt auch auf der Leipziger Buchmesse herrschte, eigentlich noch eine Ehre, einen Preis zu bekommen, der Gutenbergs Namen trägt?

Loesch: Noch zur Jahrtausendwende wurde bei einer Umfrage einer großen Zeitung in den Vereinigten Staaten die Gutenbergsche Erfindung als die bedeutendste der letzten 2000 Jahre genannt. Vermutlich war es die New York Times, die jetzt ums Überleben kämpft. Die Auswirkungen der digitalen Revolution auf unser Denken und Handeln sind durchaus vergleichbar mit der von Marshall McLuhan Ende der 60er Jahre konstatierten "Gutenberg Galaxis".
 
Wie fühlt man sich, wenn man zu den "weltweit profiliertesten und einflussreichsten Kommunikationsdesignern" gehört, wie die Jury lobt? Mächtig – oder eher ohnmächtig, angesichts schlechter Kommunikationskonzepte um einen herum?
 
Loesch: Einfach gut und keineswegs ohnmächtig. Wenn sie berücksichtigen, dass ich über Jahrzehnte versucht habe die Studierenden an der Fachhochschule Düsseldorf und an der Bergischen Universität Wuppertal vom rechten Wege abzubringen, war ich sogar relativ einflussreich.
 
An der Universität Wuppertal haben Sie 1990 am Lehrstuhl für Kommunikationsdesign die Nachfolge von Willy Fleckhaus angetreten. Vorbild – oder eher der Anlass, sich abzugrenzen?

Loesch: Willy Fleckhaus war während meines Studiums Ende der 60er Jahre geradezu revolutionär im Bereich der Buch- und Zeitschriftengestaltung. Es war ein Problem ihn nicht nachahmen zu wollen, da sein Umgang mit Typografie, mit radikalen An- und Abschnitten von Bildern einfach überzeugte und sich wohltuend vom dirndelhaften Design der 50er Jahre abhob.

Um den "Fleckhauskomplex" zu überwinden, gestaltete ich beinahe 10 Jahre später endlich einmal auch einen Beitrag in einem Magazin im typischen "twen-Layout": schwarzer Fond, (was eigentlich Kitsch ist), riesige Einwort-Headline und Bildlegenden, die aus formalen gründen den unlogischen Zeilenfall feiern.
 
Manche Ihrer Plakat-Arbeiten stemmen sich gegen allzu leichte Lesbarkeit, sind eine Aufforderung zum Enträtseln optischer Effekte. Bringt die »Mausklick-Generation« diese Geduld noch auf?

Loesch: Die Gutenbergsche B42 war auch nicht einfach zu lesen. Obwohl Gutenberg insgesamt 290 unterschiedlich breite Typen, Ligaturen und Abkürzungszeichen entwickelte, um auf einen ausgeglichenen Blocksatz zu kommen. Die Mehrzahl meiner Plakate folgt übrigens einer ganz einfachen und durchaus gut lesbaren Typografie. Da wir ganzheitlich lesen und Wörter nicht buchstabieren, sind schräge oder gar gestürzte Texte ebenso schnell erfassbar, wie drüber oder drunter gestellte.

Ich räume allerdings ein, dass manche meiner plakativen Arbeiten, wie beispielsweise für das Klingspor Museum Offenbach, experimentelle Typografie demonstrieren, was ja für ein Museum der Buch- und Schriftkunst auch angemessen ist. Die "Mausklick-Generation" ist im Internet einem ganz anderen Stress ausgesetzt. Wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen erfordert 90 Prozent der Aufmerksamkeit. Diese Überinformation entfällt auf einem Plakat - wenn man mal von den entsetzlich vielen Logos der Sponsoren absieht.
 
War die Buchbranche dabei, wenn Sie Ihren Studenten gelungene Beispiele für
Kommunikationsdesign an die Hand gegeben haben?

Loesch: Selbstverständlich habe ich die Studierenden bis zum "Ende meiner Dienstfahrt" 2008 auch immer wieder auf hervorragend gestaltete Buchpublikationen aufmerksam gemacht. Heute würde ich beispielsweise den perfekt geplanten Bestsellers "Der Turm" von Uwe Tellkamp vorgeführt. Der schmiedeeiserne Schnörkel auf dem Cover entspricht dem konventionell geschriebenen Inhalt. Der Buchumschlag ist nicht nur gut gestaltet, sondern auch unübersehbar plakativ.
 
In einem Interview auf Typeradio.org verraten Sie, dass Kinder Ihre persönlichen "Toptester" für neue Entwürfe sind. Warum?


Loesch: Kinder äußern sich spontan und unvoreingenommen. Sie schildern das, war sie wirklich sehen und haben keine Angst etwas Falsches oder gar "Dummes" zu sagen. Erwachsene sind immer auf der Suche nach einer intelligenten Interpretation. Das verstellt den Blick für das Wesentliche.
 
Welche Aufträge haben den größten Spaßfaktor?

Loesch: Im Rheinland gibt es die schöne Definition "Spaß an der Freud". Vor Jahren gestalteten meine Studentinnen und Studenten im Rahmen eines Wettbewerbs Plakate für den Düsseldorfer Karneval. Das war leider gar nicht komisch.
 
Wem würden Sie gerne mal ein neues Corporate Design verpassen?
 
Loesch: Der Partei "Die Grünen". Die positiv besetzte Farbe Grün wurde zu Wahlkampfzeiten nie richtig genutzt. Statt dessen müssen wir das Logo einer infantilen Sonnenblume ertragen, die auch noch grottenschlecht im Kartoffeldruck umgesetzt wird.