Interview

"Jede Plattform, die Neukunden gewinnt, ist eine Bereicherung"

15. September 2009
von Börsenblatt
Booklink, Buchfreund, ZVAB, Amazon & Ebay: Ein Gespräch mit Frank Holzapfel, Geschäftsführer des Würzburger Softwareanbieters w+h, über die gegenwärtige Situation auf dem deutschen Antiquariatsmarkt.

Herr Holzapfel, was genau macht Ihre Firma? Seit wann sind Sie im Geschäft?Die w+h GbR wurde von Matthias Wiesler und mir 1997 gegründet. 2001 erfolgte die Umfirmierung zur w+h GmbH. Heute haben wir mit Stefan Gläßer einen Vollzeitangestellten und zusätzlich zwei Programmierer in Teilzeit. Unser Hauptgeschäftszweig ist die Entwicklung von Software für den Antiquariatsbuchhandel. Bekanntestes Produkt ist die Antiquariatssoftware whBOOK, die mit über 500 Nutzern die wohl am weitesten verbreitete Software im deutschsprachigen Raum ist.
Weitere Produkte sind das Verkaufsportal für antiquarische Bücher Buchfreund (www.buchfreund.de), der Bestellabwicklungsservice Order-Control, der Datenverteilservice Booklink und der Neubuchservice mit den angeschlossenen Grossisten Libri und Umbreit.

Stichwort Booklink: was genau ist das? wie viele Firmen nutzen das?Booklink ist ein Datenverteilsystem für antiquarische Bücher. Antiquare spielen ihre Daten auf unseren Server, und wir verteilen diese Daten täglich an die Portale weiter, bei denen der Antiquar angemeldeter Kunde ist. Momentan sind ZVAB, Amazon, Abebooks, Buchfreund, Antikbuch24, Booklooker, Antiquario, Prolibri, Biblioman, Antbo und Hitmeister angeschlossen. Ein weiteres Portal befindet sich in der Programmierphase.
Der Vorteil für den Antiquar liegt in der Arbeits- und Zeitersparnis. Die Portale profitieren von einer homogenen Datenstruktur und sinkenden Stornoquoten durch täglich aktualisierte Daten. Auch profitieren die kleineren grundgebührfreien Plattformen von dem System, da es sich für viele Antiquare nicht lohnte, dort die Daten durch manuellen Upload aktuell zu halten. Booklink nutzen derzeit über 120 Antiquare; Anbieter großer Bestände sind überdurchschnittlich vertreten.

Sie haben einen gewissen Überblick über die Marktsituation, was den Online-Handel betrifft. Können Sie uns dazu Einschätzungen vermitteln?Nach unseren Informationen sind Marktführer das ZVAB und Amazon, wobei beide ihre eigene Kundenklientel haben. Beim ZVAB werden von Stammkunden überwiegend Titel aus höheren Preisbereichen gekauft, während Amazon den Massenmarkt bedient. Amazon profitiert stark von cross selling und cross promotion. Die Amazon-Kunden wissen oft gar nicht, dass es einen Markt für antiquarische und gebrauchte Bücher gibt; sie suchen nach Neubüchern oder anderen Produkten und werden dann auf das Angebot gebrauchter Bücher aufmerksam. Dies sollte man auch als Vorteil für andere Plattformen werten, da so Kunden für den Antiquariatsmarkt sensibilisiert werden und in Zukunft vielleicht über andere Kanäle antiquarische Bücher beziehen.
Nach den beiden Marktführern ZVAB und Amazon folgt Booklooker, das sich in den letzten Monaten sehr gesteigert hat. Der Käuferkreis dort dürfte ungefähr derselbe sein wie bei Amazon. Mit etwas weniger Abstand danach kommt Abebooks mit überwiegend ausländischen Käufern und kurz dahinter folgt schon unsere Plattform Buchfreund.
Die restlichen Plattformen sind fast alle auf demselben Niveau. Unsere Betrachtung der Marktsituation kann natürlich bei jedem einzelnen Antiquar differieren, je nachdem, auf welchen Portalen er einstellt und wie er seine Preise dort gestaltet. Wir sehen diese Plattformen auch nicht als Konkurrenz zu Buchfreund. Im Gegenteil, wir legen den Kunden ans Herz, auf möglichst vielen Plattformen einzuspielen, insbesondere auf denen mit niedriger beziehungsweise ohne Grundgebühr.
Was nach unserer Meinung nicht passieren darf, ist das Verschwinden von Verkaufsplattformen. Jede Plattform hat ihre Daseinsberechtigung mit individuellen Vorteilen für Antiquare und Buchkäufer. Somit trägt jede Plattform zur Umsatzsteigerung bei.

Die Partnerschaft Ihrer Firma mit dem ZVAB sorgt gelegentlich für Irritationen. Besteht da nicht potenziell ein Interessenskonflikt?Die Partnerschaft mit dem ZVAB hat sich über mehrere Jahre hinweg sehr gut entwickelt. Mittlerweile trifft man sich in regelmäßigen Abständen zum Ideenaustausch. Der große Vorteil des ZVAB sind Marktpräsenz und die persönlichen Ansprechpartner. Wir sehen, wie gesagt, Buchfreund nicht als Konkurrenz, sondern betrachten das System als Ganzes. Dabei ist jede Plattform, die Neukunden gewinnt, eine Bereicherung.

Amazon experimentiert, nicht ganz konfliktfrei, mit der Listung von Büchern ohne ISBN. Wie schätzen Sie das ein?Amazon Marketplace war lange Zeit ein abgeschotteter Verkaufsraum, in dem es neue Händler mitunter schwer hatten, Fuß zu fassen. Der Grund hierfür war das bis dato von Amazon erwartete Katalogformat, das nur Bücher mit ISBN zuließ. Durch die Erweiterung seiner Schnittstellen öffnet sich Amazon nun für Bücher ohne ISBN. Dadurch wird Amazon für viele whBOOK-Kunden interessant, zumal wir einen automatisierten Upload mit dem neuen Katalogformat anbieten; es gibt einen erheblichen Anstieg von whBOOK-Amazon-Verkäufern, die insbesondere mit ihren ISBN-Titeln als Konkurrenz zu etablierten Verkäufern wahrgenommen werden.
Es beschweren sich etablierte Amazon-Händler, die Umsatz an unsere Kunden verlieren. Wir nehmen das in Kauf, denn die Listung von Büchern ohne ISBN bei Amazon beschert unseren Kunden zusätzliche Umsätze. Nach meiner Einschätzung bleibt aber das ZVAB in diesem Segment die erste Adresse im deutschsprachigen Raum.

Wie sehen Sie die mittelfristige Entwicklung des Online-Handels?
Es ist schwierig, Prognosen für die Zukunft abzugeben, aber nach unserer Ansicht ist der gesamte antiquarische Online Handel abhängig von einer zentralen Frage: "Wie gewinne ich Neukunden für den antiquarischen Buchmarkt?" Diese Frage ist einfach formuliert, viel schwieriger ist es Antworten und Lösungsansätze zu liefern. Wir sehen uns in der Pflicht, denn wir haben uns vom reinen Softwareanbieter zum Dienstleister für die gesamte Branche entwickelt und sind vom wirtschaftlichen Erfolg der Antiquare abhängig. Unser Beitrag hierzu ist: Erhaltung der Vielfältigkeit von Verkaufsplattformen und gegebenenfalls Schaffung und Bedienung neuer Plattformen mit anderen Ansätzen sowie das Suchen und Einbinden neuer Partnern im Internet, mit deren Hilfe der Antiquariatsmarkt bekannter wird. Geplant ist außerdem die sukzessive Erweiterung und weitere Automatisierung der Funktionen in whBOOK und Booklink, um für Antiquare weitere Märkte zu erschließen – hier sei Ebay als aktuelles Projekt genannt.
Nach unserer Einschätzung wissen nicht einmal 20 Prozent der Internetnutzer, dass außerhalb von Flohmärkten oder Ebay ein professioneller Online-Gebrauchtbuchmarkt existiert. Hier gibt es also unerschlossenes Umsatzpotenzial. Wir begrüßen jegliche Initiative, zum Beispiel das von Rainer F. Meyer initiierte Angebotsbündnis, den Gemeinschaftskataloge der GIAQ und der "7 Antiquare", Twitter-Initiativen von Antiquaren oder die XING-Gruppe von Philipp Weinbrenner. Alle positiv realisierten Projekte, die nicht sofort 'zu Tode' diskutiert werden, sind vorteilhaft für den Markt.
Jedes Blog, jedes Forum, jede kleine Plattform hilft. Wir sehen die Zukunft angesichts des Potenzials von Neukunden eher positiv für die Branche. Allerdings müssen diese Kunden von allen Seiten – Antiquariaten, Plattformbetreibern, Interessensverbänden und Dienstleistern – gemeinsam gewonnen werden.

Die Fragen stellte Björn Biester.