Die Zukunft der ISBN

21. September 2009
Redaktion Börsenblatt
Als Mitglied des Board of Directors der Internationalen ISBN-Agentur war ich letzte Woche bei der Jahrestagung der Agentur. Die wesentliche Diskussion während dieser zweitägigen Veranstaltung hat sich an der Frage entzündet, wie ISBN für die digitale Welt verwendet werden.
Gerade in den USA wird bemängelt, dass die ISBN zu wenig Information transportiert, um ihre Rolle in der Handelskette wahrzunehmen. Dabei wird gerade von E-Book-Aggregatoren argumentiert, dass ein einzelnes E-Book viele verschiedene Publikationsformen darstellt, abhängig von Format, Digital Rights Management System (DRM), Zusatzcontent etc.
Damit – so die Argumentation – müssten pro E-Book dutzende wenn nicht sogar hunderte von ISBN vergeben werden, wenn man jedes verkaufbare E-Book mit unterschiedlichen Qualitäten immer mit einer ISBN versehen wollte. Gerade in den USA, wo die Kosten einer ISBN um ein Vielfaches über denen in Deutschland liegen, führt dies zu heftigen Diskussionen über die Zukunft der ISBN.
 
Muss aber wirklich jede Instanz eines E-Books eine eigene ISBN haben? Bloß, weil man es 5 Mal anstatt 6 Mal kopieren darf? In der Welt des gedruckten Buches ist das so:
Jede Ausgabe eines Buches durchläuft vom Verlag bis zum Leser die komplette Handelskette ohne im Geringsten verändert zu werden. Das E-Book andererseits wird beispielsweise als EPUB zu einem Händler geliefert, der daraus sein eigenes Format generiert und mit einem eigenen DRM versieht. Da es sich hier um eine veränderte Ausgabe handelt, müsste dieses E-Book eine eigene ISBN haben. Kommen Aggregatoren oder Plattformen wie libreka! ins Spiel, wird die Lage noch unübersichtlicher. Ganz zu schweigen davon, dass diese unterschiedlichen Ausgaben eines E-Books nicht von den Verlagen erzeugt werden, sondern von Händlern, die eigentlich keine ISBN vergeben dürfen.
 
Denkt man dieses Szenario zu Ende und wendet man die Regeln der analogen Welt an, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass praktisch für jedes verkaufte Exemplar eines E-Books eine eigene ISBN vergeben werden muss. Da sind zunächst die verschiedenen Formate, verschiedene Einstellungen für Kopierschutz und schließlich die verschiedenen Darreichungsformen - also Download, Download mit Verfallsdatum, Online lesen (seitenweise, mit verschiedenen zeitlichen Begrenzungen) etc.
 
Die Frage ist nun: Wie kann man die ISBN zukunftssicher machen ohne ihre Vorzüge für die Welt der gedruckten Bücher zu gefährden?
Hierzu haben wir folgende Thesen aufgestellt:
 
  1. ISBN werden grundsätzlich vom Verlag vergeben; nur in Ausnahmefällen, d.h. wenn der Verlag keine ISBN vergibt, kann dies von anderen Handelspartnern erledigt werden
  2. Wie bisher gilt die Regel, pro Ausgabe eine ISBN zu vergeben. Da Formate in der Tat sehr unterschiedlich sein können, macht es Sinn, jedes unterschiedliche E-Book-Format mit einer eigenen ISBN zu versehen
  3. Verschiedene Nutzungsbestimmungen, also die Notwendigkeit von DRM, Lizenzbestimmungen oder Nutzungsarten dürfen nicht zu einer Vervielfachung der ISBN führen, d.h. Unterschiede wie die oben genannten führen nicht zur Vergabe verschiedener ISBN
  4. Trotzdem sind die vorgenannten Aspekte extrem wichtige Informationen, die durch die Handelskette durchgereicht werden müssen. Angedacht ist eine Integration dieser Informationen in die Metadaten der Titel, beispielsweise via ONIX. Wichtig dabei ist, dass die Metadaten von verschiedenen Partnern angereichert werden können, so dass Informationen zu Modifikationen am E-Book, die auf der Ebene des Verlages noch nicht bekannt waren, zugänglich gemacht werden können.
 
Innerhalb der Internationalen ISBN Agentur werden wir hierzu ein Thesenpapier erstellen, um größtmögliche Transparenz zu schaffen.


Haben Sie Ideen, wie die Supply Chain für E-Books besser gemanagt werden könnte? Diskutieren Sie mit!
 
Mit besten Grüßen
 
Ihr Ronald Schild