Brasilianisches Tagebuch (II) - Journalistenreise mit der Frankfurter Buchmesse

Begeisterungsstürme für Thalita

23. September 2009
Redaktion Börsenblatt
Brasilien ist nicht nur das größte Land Südamerikas, sondern zugleich der größte Buchmarkt des Kontinents. In jährlichem Wechsel findet Brasiliens größte Buchmesse, die Bienal do Livro, in Rio de Janeiro und Sao Paulo statt – in diesem Jahr kamen rund 600.000 Besucher vom 10. bis 20. September nach Rio in die Messehallen von Barra da Tijuca, einem jungen, aufstrebenden Stadtteil der Sechs-Millionen-Metropole.

Dienstag, 15. September, 2. Tag:

Beim Frühstück geht der Blick hinaus auf den Ozean. Unser Hotel liegt direkt am Atlantik, man sieht die Brandung auf den Strand zurollen. Eine Gruppe kräftig gebauter junger Männer läuft ins Bild: zum frühmorgendlichen Lauf- und Hüpftraining unter Anleitung einer Frau. Wahrscheinlich handelt es sich um Rettungsschwimmer, die auf Trab gehalten werden müssen.

Heute steht der Besuch auf der Bienal do Livro auf dem Programm. Der Bus bringt uns in etwa 30 Minuten zum Messegelände, das außerhalb zu liegen scheint, aber immer noch, wie wir erfahren, zum selben Stadtteil gehört. An die großen Distanzen müssen wir uns erst gewöhnen.

In den drei Messehallen ("orange", "grün" und "blau") herrscht großer Trubel. Mindestens die Hälfte aller Besucher besteht aus Schulklassen, die aus dem gesamten Bundesstaat Rio de Janeiro herangekarrt werden - auf Kosten der Gemeinden. Dafür ziehen die kleinen Messebesucher auch T-Shirts ihrer kommunalen Sponsoren an.

Unsere Verständigung wird immer wieder durch hysterisches Kreischen unterbrochen. Plötzlich entsteht ein Auflauf, die Schüler strömen in eine Richtung: Thalita, ihr Idol, erscheint plötzlich in ihrer Mitte. Thalita Rebouças, die Bestseller-Autorin, die mit ihren Lebenshilfe-Büchern vor allem die Herzen der Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren erobert. Ihre Titel stehen nach Erscheinen immer ganz vorne in den Charts.

Wenig später sind wir zu Gast bei einigen Verlagen: Cortez Editora aus Sao Paulo, Pallas aus Rio de Janeiro, Pinakotheke aus Rio und bei der Verlagsgruppe Senac Editora. Cortez Editora produziert vor allem Bücher mit pädagogischem Anspruch für Kinder und Jugendliche, pädagogische Fachliteratur für Lehrer und Erzieher sowie zahlreiche Schulbücher. Geschäftsführer Antonio Erivan Gomes zeigt uns seine didaktisch überzeugenden, schön illustrierten Bücher – zum Beispiel eine Stadtgeschichte von Rio de Janeiro. Was ihm Kopfzerbrechen bereitet, ist die Rechtschreibreform, die für alle Staaten, in denen Portugieisch Amtssprache ist, beschlossen worden ist. In den kommenden Jahren müssen alle Bücher, vor allem die Unterrichtswerke, überarbeitet und neu herausgegeben werden.

Einen besonderen Schwerpunkt setzt der Pallas Verlag: Sein Programm beschäftigt sich mit den kulturellen Interferenzen, die die afrikanische und die indianische Kultur in Brasilien ausgelöst haben und immer noch auslösen.

Bildende Kunst ist das Thema bei Ediçoes Pinakotheke, einem Verlagshaus, das seit 30 Jahren aktiv ist. Aktuell ist ein Wörterbuch für kunsthistorische Fachbegriffe, das jeden portugiesischen Terminus in drei Sprachen (englisch, französisch, spanisch) übersetzt.

Schließlich sind wir bei Senac zu Gast: eine Verlagsgruppe mit einem breitgefächerten Programm von Bildung über Kochbücher bis zum Tourismus. Senac hat eine nationale Niederlassung und drei regionale Töchter, die in den Bundesstaaten Sao Paulo, Rio de Janeiro und im Distrito Federal (Brasilia) aktiv sind.

Am Nachmittag verlassen wir die Messe, um den Flieger nach Sao Paulo zu nehmen. Dort steht unter anderem ein offizieller Empfang bei der brasilianischen Buchkammer, der Camara Brasileira do Livro (CBL) auf dem Programm. Mehr dazu in Teil III des brasilianischen Tagebuchs.