Mord in der Nachbarschaft

25. September 2009
Redaktion Börsenblatt
Ein zentrales Thema des diesjährigen Erlanger Poetenfests waren Regionalkrimis. Hanna Hartberger, Sabrina Kurtz und Cornelia Weileder liefern Einblicke.
Sanfte, sphärische Klaviermusik, die die sommerliche Luft des Schlossgartens durchdrang, malte ein trügerisches Bild vor und nach den Lesungen, das im Gegensatz zu harter Realität und existenziellen Kämpfen in der vorgetragenen Literatur stand. Inge Jens, die cellotragend durch das zerbombte Hamburg läuft, Essen in Robert Menasses Erzählband, das von einem Affen serviert wird, und die Beinah-Hinrichtung der zum Pflegefall gewordenen Partnerin in Jens Petersens noch unveröffentlichtem Roman – Bilder, die Schlaglichter auf die teilweise schwer verdaulichen Themen des diesjährigen Poetenfests in Erlangen werfen. Von den Dauerbrennern Biografien über aktuelle gesellschaftliche und politische Diskussionen wie Finanzkrise und Überwachungsstaat bis hin zu Krankheit und Tod schaffte es die repräsentative Mischung aktuell gelesener Autoren, den Besuch zu einem Erlebnis zu machen.

 

Regional boomt

Wie bereits im Börsenblatt dargestellt, haben die Deutschen ein Faible für Regionalliteratur. Dies konnte man auch am Poetenfest-Programm ablesen, da die Veranstalter sich dazu entschlossen hatten, neben einem allgemeinen Krimi-Abend dem Franken-Krimi einen eigenen Rahmen für Lesung und Gespräch zu geben. Ist es aber sinnvoll, den lokal angesiedelten Krimis den Stempel regional aufzudrücken? Mit dieser Frage warf Dirk Kruse einen berechtigten Denkanstoß in die Podiumsrunde. Das Argument wurde durch den Leiter der Diskussionsrunde bestärkt, der Regionalkrimis als Deckmantel für minderwertiges Geschreibsel bezeichnete, das anderweitig nicht absetzbar wäre. Dem aber entgegenzusetzen wäre beispielsweise der anerkannte Schriftsteller Frank Schätzing, der den Regionalkrimi als Sprungbrett für seine späteren Werke benutzt hat. Dies bringt sowieso die leidige Frage nach guter oder schlechter Literatur ins Spiel, die an dieser Stelle die Buchwissenschaftler lieber dem Leser überlassen, der selbst am besten in der Lage ist, die für ihn passende Literatur selbstständig auszusuchen. Ununmstritten sind aber die hohen Verkaufszahlen der Regionalkrimis sowie die überregionale Verbreitung – bestes Beispiel dafür sind die Taschenbuchrechte eines Teils der Franken-Krimis von ars vivendi, die von Piper aufgekauft wurden. Letzten Endes unterscheiden sich Regionalkrimis nicht von „normalen Krimis“, sondern zeichnen sich durch eine stärkere Betonung der Schauplätze und Lokalkolorit aus.

 

Eine Leiche hat bis jetzt glücklicherweise noch nicht zu steigenden Absatzzahlenin den fränkischen Buchhandlungen geführt. Diese Aufgabe übernimmt das Poetenfest, das den Besuchern neue Lese-Anregungen liefert. Womit das Erlanger Poetenfest seine Pflicht als Literaturfestival voll erfüllt hätte: Zum Lesen verführen und überregionale Trends in regionalen Buchhandlungen schaffen.