Interview mit der Marketingleiterin von Droemer Knaur

»Ein bisschen frecher und lauter«

1. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
Kerstin Reitze ist die Frau hinter dem neuen Gesicht von Droemer Knaur. Ein Gespräch über ihren Wechsel von Rowohlt zur Münchner Verlagsgruppe, die Macht der Werbung, hässliche Cover und die Sehnsüchte der Buchhändler.
Haben Sie manchmal Sehnsucht nach Reinbek, nach dem Rowohlt Verlag?

Am Anfang hatte ich die, klar, immerhin war ich da acht Jahre. Jetzt, nach mittlerweile sechs Monaten, ist das deutlich weniger geworden. Aber den einen oder anderen von den Kollegen vermisse ich schon.

Sie haben Ihren Wechsel damit begründet, sich nicht wiederholen, sondern etwas Neues machen zu wollen. Was ist das Spannende an einem Verlag wie Droemer Knaur?

Ich bin in meiner Seele Werberin und als solche hatte ich Lust auf Veränderung. Droemer Knaur ist einer der wenigen Verlage, die ich so reizvoll finde wie Rowohlt. Die Programmvielfalt ist ähnlich groß – zwar ohne das hohe literarische Profil, aber dafür mit etwas Neuem für mich: Geschenkbuch und Fantasy. Worüber ich länger nachdenken musste, war vor allem, ob München nicht zu weit weg ist von Hamburg und ob ich als Norddeutsche zu den Bayern will. Dann habe ich zum Glück erfahren, dass München SPD-regiert ist.

Die Arbeit dürfte sich demnach nicht so sehr von der bei Rowohlt unterscheiden ...

Ich war ja gern bei Rowohlt. Aber Droemer Knaur ist ein Verlag, der viel mehr vom Markt und vom Marketing kommt. Bei Rowohlt gab es das eine oder andere, was ich machen wollte, was aber vom Profil her nicht zu Rowohlt passte. Hier kann ich wahrscheinlich ein bisschen frechere und lautere Kampagnen inszenieren, mich werblich mehr austoben.

Rowohlt war zu seriös, zu ernsthaft für schrille Werbung?

Im Taschenbuch war das möglich. Und es war auch reizvoll für das literarische Programm, kreative Autorenkampagnen zu machen – zum Beispiel die Eugenides-Kampagne für »Middlesex«. Ich würde das nicht als schrill bezeichnen. Darum geht es mir auch gar nicht. Ich möchte einfach keine langweilige Werbung machen, die man schon 100-mal gesehen hat. Und das kann ich hier – so hoffe ich jedenfalls – besonders gut umsetzen.

Guckt, wer gut sein will, auch viel ab?

Nein, das gar nicht, dann ist man ja hintendran. Ganz wichtig ist eine psychologische Komponente. Es geht nicht darum, ob den Leuten im Verlag, dem Autor das Cover oder der Titel gefällt. Letztlich muss der Köder dem Fisch schmecken. Man muss sich gut überlegen: Was ist das für ein Buch und für wen ist es gemacht? Was ist das Besondere? Das setzt sehr viel Analysetätigkeit voraus. Wichtig ist der Blick über den Horizont der Branche hinaus: Welche guten Kampagnen gibt es? Was bewegt etwas?

Sie lassen sich also durchaus inspirieren ...

Tut das nicht jeder? Es wäre doch vermessen, zu behaupten, alles entsteht im eigenen Kopf. Wichtig ist aber, mittels Inspiration etwas Neues zu schaffen und nicht 1:1 abzukupfern. Ich habe einen extrem großen Verbrauch an Zeitungen und Zeitschriften: 30 bis 40 blättere ich sicher in der Woche durch. Es gibt ganz wenig, an dem ich hängenbleibe und bei dem ich überlege, warum das so ist und ob sich was mitnehmen, übertragen lässt. Man muss einfach sehr offen durch die Welt gehen. Neugier ist wichtig.

Haben Sie Cover gemacht, die Sie selbst scheußlich fanden?

Ja, eindeutig. Es gibt viele Cover von mir, die ich überhaupt nicht mag. Das spielt auch keine Rolle. Denn es geht nicht um mich. Die Geschmäcker sind so verschieden. Wichtig ist, professionell und mit viel Herzblut an die Bücher heranzugehen – auch wenn man manche nicht lesen möchte. Und das entsprechende Verpackungsdesign zu entwerfen.

Das ist professionell. Aber ist es auch befriedigend?

Das ist einfach mein Job als Werberin und den mache ich sehr gern. Ich verkaufe keine »Reitze-Cover«. Das wäre hier bei den vielen Programmen auch gar nicht möglich.

Wäre es nicht schön, bei einem Verlag zu sein, der »Reitze-Cover« verkauft?

Wenn ich so etwas wie Diogenes erfinden würde? Nein, ich persönlich finde es reizvoller, mich in unterschiedliche Zielgruppen hineinzudenken.

Was wäre ein »Reitze-Cover«?

Simon Beckett, »Die Chemie des Todes« wäre so ein »Reitze-Cover«. Da haben wir in Reinbek viel diskutiert, ob man ein genrefremdes Cover macht – wozu Mut gehört. Letztlich muss der ganze Verlag dazu stehen. Das ist etwas, was ich hier auch machen will: einen Autor mal ganz anders verpacken, damit er auffällt. Aber das darf man auch nicht überstrapazieren.

Was soll anders werden bei Droemer?

Es sind erst mal Fragen, die ich stelle: Warum ist die Vorschau so nüchtern, warum sehen alle Seiten gleich aus? Welches Konzept steckt dahinter? Ich bin dafür, deutlich zu machen, was man für einen Spitzentitel tut. Zwar ist das Budget kleiner als in anderen Branchen, aber sechsstellig sind die Ausgaben für einzelne Titel auch. Das soll der Buchhändler sehen, um zu wissen: Das ist denen wichtig, da glauben die wirklich dran.

Sind die neuen Vorschauen also anders gestaltet?

Ja. Und mehr als das. Die Unterschiede zwischen Droemer und Knaur-Belletristikprogramm sollen optisch durch differenzierte Cover und unterschiedliche Vorschauinszenierung unterstrichen werden. Im Sachbuch werden hingegen alle drei Verlage der Gruppe, also Droemer, Knaur und Pattloch, in einer Vorschau gebündelt.

Droemer Knaur ist ein ziemlich erfolgreicher Verlag. Sie sagen, das Spitzentitelmarketing kommt nicht zur Geltung, ist nicht optimal. Wie geht das zusammen?

Es war eine bewusste Entscheidung, in der Vorschau die Information über die Bücher in den Vordergrund zu stellen, weniger das, was an Werbung geplant ist.

Der Buchhandel gilt als konservativ. Können Sie ihm gewagte Werbung zumuten oder ist die nur für den Leser?

Es geht mir nicht darum, dem Buchhändler etwas zuzumuten – dann hätte ich schon verloren. Für den Buchhändler sind häufig andere Botschaften wichtiger als für den Leser. Aber der Buchhändler ist ein Mensch wie jeder andere auch. Ich weiß nicht, warum er andere Gefühle haben sollte und ein ganz anderes Leben. Das ist eine Innensicht. Ich glaube, der Buchhändler will auch ab und zu mal Spaß haben und sich durch neue Kampagnen überraschen lassen. Warum soll ich ihm das nicht mit einer Anzeige verschaffen? Warum langweilig und verkopft daherkommen? 

Wie weit ist Droemer in der Werbung zurück?

Ich finde, da kann man zukünftig kreativer an Werbekampagnen rangehen.

Wie schnell lässt sich das aufholen?

Da muss man differenzieren: Abverkaufswerbung funktioniert schnell, ein neues Layoutkonzept wirkt langsamer. Bei einer neu gestalteten Vorschau braucht man deshalb einen langen Atem und sollte sich nicht nach einem halben Jahr überlegen, wieder was ganz anderes zu machen. Man erwartet in der Regel, dass die Leute auf eine neu gestaltete Vorschau direkt reagieren. Meistens tun sie das nicht. Aber irgendwie passiert dann doch etwas.

Wie sehr soll sich die Werbung bei Droemer Knaur auf den einzelnen Titel konzentrieren? Wie stark wollen Sie den Verlag in den Vordergrund stellen?

Im Moment steht der einzelne Titel im Fokus, denn den verkaufen wir und damit verdienen wir unser Geld. Und das ist auch das, was der Leser versteht. Beim Buchhändler ist es anders, da treten wir als eine Verlagsgruppe auf. Aber wie das genau aussehen wird, weiß ich jetzt noch nicht.

Aber irgendwann würden Sie gern so etwas wie eine Jubiläumskampagne machen?

Nein, das war meine schönste Zeit bei Rowohlt, aber auch eine unglaublich anstrengende. Ich habe damals zu meinem Mann gesagt: Wenn ich zu einem anderen Verlag gehe, dann werde ich zuerst fragen: Wann haben Sie Jubiläum? Und wenn die antworten, nächstes Jahr, dann werde ich sagen: Auf Wiedersehen, ich komme in zwei Jahren noch mal.

Sie wollen entscheidende Dinge in einem Verlag anders machen, der ziemlich erfolgreich Bücher verkauft ...

Das wird er auch weiterhin machen. Ich hoffe, ich kann dem Ganzen durch meine Werbe-Ideen einfach mehr Schwung geben. Aber letztendlich gehört zum Marketing ja viel mehr als nur Werbung und Cover, da bin ich nur ein kleiner Teil im gesamten Getriebe.

Aber warum hatte der Verlag bisher trotz allem Erfolg?

Er war immer nah am Markt, nah an den Kunden.

Haben Sie mehr Kompetenzen als bei Rowohlt?

Ja, beim Cover habe ich das letzte Wort, wenn wir uns mal nicht einig werden. Denn irgendwann kommt man da immer auf eine Geschmacksebene. Einer muss das dann entscheiden.

Wie war das bei Rowohlt?

Da hatte die Geschäftsführung, Herr Kettmann und Herr Fest, das letzte Wort.

Verfolgen Sie die Arbeit Ihrer Nachfolgerin in Reinbek?

Natürlich. Wir kennen uns von früher, als wir beide bei einer Werbeagentur waren.

Sie treten auch gegen sie an, wie gegen alle anderen ...

Klar, aber das finde ich reizvoll, das ist inspirierend. Und wir sind alle auch sehr verbunden und herzlich miteinander. Es gibt jährlich ein Werbeleitertreffen: Da tauscht man sich über viele Dinge aus und über manche wird geschwiegen.

Es wird viel nachgemacht ...

Mich hat das immer geehrt bei Rowohlt: Wie gut muss etwas sein, wenn es andere nachmachen. Das war für mich ein Ansporn.

Hat es Sie nicht auch geärgert?

Nein. Verärgert war ich, wenn ich gerade ein Cover entwickelt hatte und dann kam die Anzeige eines anderen Verlags, hinter der die gleiche Idee stand. Da konnte ich meins dann in den Papierkorb werfen.