Das "Berliner Modell" hatten die Verlage den Übersetzern in der Vergangenheit vergeblich angeboten. "Eine Erfolgsbeteiligung für Übersetzer gibt es in den meisten Verlagen seit vielen Jahren. Es ist bedauerlich, dass der Übersetzerverband die zwischen Verlagen und Übersetzern ausgehandelte und unterschriftsreife Vergütungsregelung hat platzen lassen, denn der BGH bestätigt nun die wichtigsten Elemente des Berliner Modells", so die erste Reaktion von Dr. Joerg Pfuhl (Verlagsgruppe Random House), der für die im Börsenverein organisierten Publikumsverlage beim Thema Übersetzervergütung als Sprecher agiert.
Zugleich warnt der Börsenverein vor den absehbaren negativen Konsequenzen des heutigen Urteils, das auf der verfehlten Novellierung des Urhebervertragsrechts durch die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2002 basiert:
Für die meisten Übersetzer wird sich materiell nichts ändern, da die BGH-Entscheidung vor allem Bestseller-Übersetzern zu Gute kommen. Von den Verlagen vorgeschlagene Honorierungsmodelle, die gezielt zu einer höheren Vergütung für anspruchsvolle literarische Übersetzungen führen könnten – insbesondere das so genannte Münchener Modell –, sind vom Verband deutscher Übersetzer in der Gewerkschaft ver.di in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt worden.
Die eintretende Verteuerung von Übersetzungen führt dazu, dass insgesamt weniger Bücher übersetzt werden können und viele risikoreiche, aber kulturell bedeutsame Titel auf der Strecke bleiben. Dies gilt auch und gerade dann, wenn ein Übersetzer in Kenntnis des wirtschaftlichen Rahmens eines Buchprojekts ausdrücklich wünscht, zu den bisher üblichen Konditionen arbeiten zu können.
Das neue Urhebervertragsrecht führt generell dazu, dass Absprachen mit Urhebern nicht mehr verlässlich und geschlossene Verträge nicht rechtssicher sind. Der durch die Vorgaben des Gesetzgebers eingetretene Verlust an Rechts- und Kalkulationssicherheit erschwert die bisher praktizierte Mischkalkulation und zwingt Medienunternehmen dazu, weniger Experimente zu wagen und sich stattdessen auf sichere Produkte zu konzentrieren. Unter dem Strich führt dies nicht zu einer angemessenen Vergütung von Urhebern, sondern dazu, dass weniger Kreative von ihren Leistungen leben können.
Vor einer endgültigen Bewertung der heutigen Entscheidung wollen Börsenverein und Verlage zunächst die Urteilsbegründung des BGH sowie das Endurteil des Oberlandesgerichts München abwarten, an das der Rechtsstreit zur Klärung offener Tatsachenfragen zurückgewiesen wurde.
Ein ausführliches Papier des Börsenvereins mit Fragen und Antworten zu den Auseinandersetzungen um die Vergütung literarischer Übersetzer finden Sie unter http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/Uebersetzerstreit_FAQ.pdf. Dort sind auch die Einzelheiten zu dem sogenannten "Berliner Modell" dokumentiert.