E-Book-Reader

Wenn der Kindle kommt …

8. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
Ab 19. Oktober wird Amazons Kindle auch in Deutschland und rund einhundert weiteren Staaten verfügbar sein. Laut Amazon soll der Kindle DX zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Damit ist das erste drahtlose Lesegerät im Markt, mit dem man weltweit dank der 3G-Technologie E-Books aus dem Kindle-Shop herunterladen kann. Was das für das E-Book-Geschäft in Deutschland bedeutet, analysiert Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Amazon ist doch noch die Überraschung gelungen. Zwar hatten sich seit geraumer Zeit die Gerüchte verdichtet, dass das Lesegerät Kindle noch vor der Frankfurter Buchmesse in Großbritannien eingeführt würde, aber dass Amazon den Kindle jetzt weltweit und damit auch für deutsche Kunden anbietet, hatte kaum jemand erwartet. Vielleicht hatte das Amazon-Management angesichts des öffentlichen Erwartungsdrucks und der aufkommenden Konkurrenz (Sony, iRex, txtr etc.) keine andere Wahl, als schon einmal mit dem globalen Reader-Verkauf zu beginnen.

Immerhin hat es Amazon in den vergangenen Monaten geschafft, mit führenden Mobilfunkprovidern Abkommen zu schließen, die den drahtlosen Download von E-Books weltweit dank der 3G-Technologie ermöglichen. Der Kindle ist nun der erste E-Reader mit einem netzunabhängigen Empfangsteil in Deutschand, noch vor dem txtr Reader, der als erstes drahtloses Gerät (mit Anbindung an das Netz von E plus) in Frankfurt präsentiert werden sollte. Nun müssen sich also auch die Mitbewerber beeilen, um E-Reader in den Markt zu bringen, die den direkten Download von E-Books ermöglichen. Denn dies ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, den Amazon nutzen wird. Vor allem Sony dürfte nun die Einführung des drahlosen Readers Sony Daily Edition vorziehen – auch außerhalb der USA.

Noch können auch deutsche Kunden den Kindle nur über Amazon.com in den USA bestellen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, dass Amazon auch in Europa eine Infrastruktur für die Auslieferung der Reader und der E-Books geschaffen haben wird. Zunächst können deutsche Kindle-Besitzer rund 250.000 englischsprachige Titel nutzen – das sind 100.000 weniger, als für US-Kunden bereit stehen (Spiegel online meldet, dass bestimmte Titel wie der neue Dan Brown nicht darunter seien). Deutschsprachige Inhalte sind vorerst nur in Form einiger Tageszeitungen (wie "FAZ" und "Handelsblatt") erhältlich. Doch wenn man bedenkt, wie viele Leser inzwischen englischsprachige Bücher lesen, kann dies nicht beruhigen. Bestsellerpremieren amerikanischer Autoren finden künftig im Kindle-Shop von Amazon statt – dann, wenn der neue Dan Brown oder Ken Follett oder Grisham in den USA erscheint.

Über kurz oder lang wird Amazon mit dem Kindle auch den deutschen Buchmarkt aufmischen. In der Branche ist es kein Geheimnis, dass alle großen Verlage, auch die Publikumsverlage, ihre Titel auch in das für den Kindle benötigte Mobi-Format konvertieren. Die digitalen Verlagsauslieferungen haben den Partner Amazon schon längst als Abnehmer eingeplant und – auch wenn sie einem non-disclosure agreement unterliegen – entsprechende Verträge längst unterzeichnet.

Spannend ist dann noch die Frage, woher die E-Books via Internet geliefert werden. Es gibt Hinweise aus der Branche, dass Amazon für die E-Book-Distribution seine Europa-Zentrale in Luxemburg nutzen könnte. Was das für die Preispolitik bedeutet und welche preisbindungsrechtlichen Konsequenzen dies für das E-Book-Geschäft in Deutschland, aber auch in Frankreich oder Österreich haben könnte, bleibt abzuwarten.

Klar ist jedenfalls, dass der Kindle seinem Namen auch in Deutschland alle Ehre macht und eine breite Diskussion entzünden wird.