Das E-Book wird dominieren – Mit oder ohne Verlage

9. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
Die digitale Revolution hat das Buch erreicht. Die folgenden fünf Thesen zeigen  die  größten Herausforderungen auf, denen sich die Verlage stellen müssen, damit sie auf dem E-Book-Markt bestehen können – bevor die Content-Piraten es tun.
E-Books sind keine Nische sondern Kerngeschäft
 
500 Jahren nach Erfindung des Buchdrucks steht eine zweite Revolution bevor: das E-Book wird die Art und Weise wie wir lesen, dramatisch verändern – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Buchbranche: Mehr als die Hälfte der Branchenexperten erwarten einer Studie der Frankfurter Buchmesse und Publishers’ Weekly zufolge, dass die Umsätze mit digitalen Inhalten die des klassischen Buchgeschäfts binnen 10 Jahren überholen.  Zum Vergleich: im Jahr 2008 lag der Umsatzanteil von E-Books in den USA noch bei 2 Prozent. Höchste Zeit also, dass Verlage E-Books zur Chefsache machen und Strategien für digitalen Content entwickeln.
 
 
Krieg und Frieden auf dem iPhone?

 
Die für E-Book-Reader verwendete E-Ink-Technologie, mit der die Geräte eine Lesequalität erreichen, die der des gedruckten Buches ebenbürtig ist, hat enorme Fortschritte gemacht. Gleichzeitig etablieren sich Multifunktionshandys wie das iPhone als erstzunehmende Alternative. Sie ersparen nicht nur die Investition in ein weiteres Gerät sondern verringern auch die Gerätevielfalt – bei guter Lesequalität. Ob sich beide Endgeräte behaupten, ob sie miteinander oder mit anderen Gerätetypen wie Netbooks verschmelzen, ist völlig offen. Daher sind Verleger gut beraten sich nicht voreilig auf ein Lesegerät festzulegen. Vielmehr muss die Datenhaltung neutral, geräteunabhängig und in offenen Formaten erfolgen.
 
 
Piraten lieben DRM!

 
Vor wenigen Tagen ging die Meldung durch das Internet, von Dan Brown’s ‚Lost Symbol’ seien mehr als 160 illegale Kopien im Netz entdeckt worden – und dies obwohl das legal käufliche E-Book mit einem technischen Kopierschutz (DRM) versehen ist. Dieses Beispiel erlaubt zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Piraterie entsteht durch Nachfrage und völlig unabhängig von der Entscheidung des Verlages über die Nutzung eines Kopierschutzes. Zweitens: Der Verlag kann Piraterie nicht stoppen – er kann das Problem lediglich managen. Das Eindämmen von Piraterie kann nur gelingen, wenn der Verlag attraktive und komfortable eigene Angebote bietet. Mit hartem DRM versehene E-Books sind aber das genaue Gegenteil: Der Leser wird mit Restriktionen belegt, die er beim gedruckten Buch nie akzeptieren würde. Verkaufsschlager sehen anders aus!
Die bestmögliche Balance zwischen Sicherheitsbedürfnis und Kundenkomfort bietet der psychologische Kopierschutz, bei dem das E-Book mit einem individuellen Wasserzeichen versehen wird. Dieses signalisiert dem Leser, dass er im Falle einer unrechtmäßigen Weitergabe belangt werden kann, schränkt ihn in der Nutzung des E-Books aber in keiner Weise ein.
 
 
Auswahl, Auswahl, Auswahl!
 

In jeder Buchhandlung steht dem Kunden heute mehr als eine Million Bücher zur Auswahl. Warum sollte die Auswahl an elektronischen Büchern, die ohne die Zwänge von Lagerhaltung und Logistik auskommen, geringer sein? Im Gegenteil, der Kunde erwartet eine deutlich umfangreichere Auswahl durch die Bereitstellung fremdsprachlicher oder in der Druckversion vergriffener Titel. Das zeitgleiche Erscheinen von Druck- und E-Ausgaben kann nur ein erster Schritt für Verlage sein; die Digitalisierung der Backlist und der vergriffenen Bestände muss schnell erfolgen.
 
 
Der Preis muss dem Leser gefallen, nicht dem Controller.

 
Zahlt der Kunde für digitale Inhalte und wenn ja, wieviel? Der von Verlagen häufig vertretene Standpunkt, aus betriebswirtschaftlichen Gründen müsse für elektronische Ausgaben der gleiche Preis wie für das gedruckte Buch erzielt werden, besticht lediglich durch seine Kundenferne. Ob eine solche Preisstruktur kundengerecht ist, muss in umfangreichen Marktbeobachtungen, Marktforschungen und durch Experimentieren erforscht werden. Als Ergebnis sind auch durchaus völlig neue Preismodelle vorstellbar. Unstrittig ist dabei der Grundsatz: der Preis muss dem Leser gefallen, nicht dem Verlags-Controller.