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Neue Mannschaft, neuer Auftritt: Die Literaturzeitschrift "Edit" feiert ihre 50. Ausgabe

12. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
Freitag, 9. Oktober: John Lennon wäre an diesem Tag sagenhafte Sixty-Nine geworden, in der Leipziger Innenstadt feierten Zehntausende mit einem „Lichterfest“ 20 Jahre friedliche Revolution. Im UT Connewitz, einem ehemaligen Lichtspieltheater, in dem sonst lärmige Gitarrenbands oder bärtige amerikanische Singer-Songwriter auf der Bühne stehen und dessen bröckelnder Gründerzeit-Charme eine Art Gegenentwurf zur schicken, aber manchmal etwas drögen Hochkultur der City ist, feierte die Literaturzeitschrift "Edit" ihre 50. Ausgabe.
Hoch gelobt, oft fast zu Tode gespart: Ohne den Enthusiasmus seiner Macher würde es das „Papier für neue Texte“, das seit 16 Jahren verlässlich für Orientierung im unübersichtlichen Dschungel der Gegenwartsliteratur sorgt, nicht mehr geben. Ein kleines Wunder also. „Es lebt!“ war denn auch das selbstbewusst-fröhliche Motto der zweitägigen Geburtstagssause im Rahmen des Literaturfestivals Textenet, dessen Programm nach dem Wundertüten-Prinzip funktionierte. Keine Nabelschau, sondern beste Unterhaltung für Kopf und Bauch: Gedichte von Marcel Beyer, Ann Cotten und dem großartigen Performer Tim Turnbull, dazu die Premiere eines getanzten Texts von Martina Hefter und Mathias Traxler, Zwerchfell-Massage mit Thomas Kapielski und direkt ins Tanzbein gehende Musik von Jens Friebe. Nicht nur Turnbull, vormals Frontmann von Punk- und Industrialbands in Yorkshire, wiegte sich da selbstvergessen im Takt.

Mit der druckfrischen Jubiläumsausgabe, die am Büchertisch der Connewitzer Verlagsbuchhandlung auslag, setzt die neu formierte Mannschaft um Geschäftsführer Mathias Zeiske und die Redakteure Jan Kuhlbrodt und Hannes Becker auch auf ein neues Gestaltungskonzept der Zeitschrift. Der Leipziger Grafikdesigner David Voss hat Edit ein typografisch anspruchsvolles, elegantes, Kleid geschneidert, das zeitgemäß wirkt, ohne dem Zeitgeist hinterher zu hecheln. Der Essayteil (die aktuelle Ausgabe enthält gleich drei Texte, von Monika Rinck, Michael Duszat und Elmar Schenkel) ist ausgebaut worden; daneben setzt Edit auf bewährte Stärken: Fundierte Rezensionen wichtiger Neuerscheinungen, bislang unveröffentlichte Poesie und Prosa. Kaum ein Bachmann-, Open-Mike- oder Leonce-und-Lena-Preisträger, der hier nicht schon publiziert hätte – diesem Ruf der „Entdeckerzeitschrift“ will Edit, 2002 mit dem Hermann-Hesse-Preis geehrt, auch künftig gerecht werden. Als im Frühjahr 1993 die erste Ausgabe von Edit erschien, wurden, wie sich Marcel Beyer erinnerte, Briefe und Manuskripte noch per Post geschickt. Ex-Redakteure wie Jo Lendle (DuMont) oder Tom Kraushaar (Klett Cotta) zeigen, dass die im Durchschnitt kaum länger als ein, zwei Jahre währende Arbeit für die Zeitschrift eines der effektivsten Trainee-Programme ist, die der Literaturbetrieb hierzulande zu bieten hat. Dass Edit seit 16 Jahren thematisch unabhängig von Autorengruppen oder einzelnen Verlagsinteressen spannende und meist junge Literatur einer aufmerksamen Öffentlichkeit präsentieren kann, verdanken die Protagonisten nicht zuletzt der Förderung der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen, des Leipziger Kulturamts und des Kuratoriums Haus des Buches. Bleibt zu hoffen, dass das neu durchgestartete Projekt in Zeiten knapper Kassen nicht zur Verfügungsmasse der Kulturbürokratie wird – und man Edit nicht nur innerhalb des „Betriebs“, in Verlagslektoraten oder Agenturen, mit Argusaugen studiert. Im alten Kinosaal von Connewitz funktionierte der Schulterschluss mit den potentiellen Lesern schon ganz prächtig.