Zeitschriften- und Zeitungsverlage unter Druck, nach einer Evaluationsphase bauen viele Häuser jetzt Stellen ab. Kommt die Krise in der Buchbranche zeitverzögert an?Helmut Haimerl: Die aktuellen Medien finanzieren zu sich über 50 Prozent aus dem Werbemarkt. Von den dortigen strukturellen und konjunkturellen Erschütterungen ist der Buchmarkt – zum Glück – weitgehend verschont geblieben. Stabilisierend wirkt sich auch aus, dass Kernzielgruppen, wie die Postmateriellen, ihr Mediennutzungsverhalten bisher kaum verändert haben.
Aber auf dem Lesermarkt zeichnen sich gravierende Veränderungen ab. Die Generation bis 45 ist mit Internet und Mobiltelefonen aufgewachsen. Aus ihren Wohnzimmern ist das Bücherregal als Statussymbol verschwunden. Diese Menschen wollen den Zugang zu Informationen. Und mit dem IPhone haben sie diesen Zugang an jedem Ort und zu jeder Zeit. Nicht mehr Bücher, sondern das IPhone ist die Ikone dieses Milieus. Schmerzlich erfahren Ratgeber, Lexika, Wörterbücher etc. diese neue Wirklichkeit.
Die Buchverlage konnten sich bisher nur in geringem Maße als Informationslieferant dieser Zielgruppe qualifizieren. Alles spricht also dafür, dass die Krise in der Buchbranche verzögert ankommt.
Vorübergehender Einstellungstop: Vakanzen werden erst spät oder gar nicht besetzt. Schadet diese Maßnahme mehr als sie hilft?Diese Maßnahme macht überhaupt keinen Sinn. Um langfristig zu überleben, müssen Unternehmen die auf sie zukommenden strategischen Herausforderungen bewältigen. Dies gelingt nicht, wenn sich Unternehmen konservieren und kein neues Blut zuführen. Aber kurzfristig wirksam und bequem sind diese Maßnahmen allemal.
Thema Outsourcing: Einige Verlage gehen den Weg, auf freie Mitarbeiter zu verzichten. Andere sparen am eigenen Personal und setzen gerade auf Outsourcing. Wo hin geht die Tendenz?Weder das eine noch das andere verleiht dem Geschäft Impulse. Positive Erfahrungen machen Verlage mit dem Management der Wertschöpfungskette. Neue Produkte und Dienstleistungen sowie neue Vertriebswege machen das Geschäft komplexer. Die Bewältigung der Komplexität ist die organisatorische Herausforderung für die Medienunternehmen. Eine zentrale Frage dabei ist, welche Bausteine der Wertschöpfungskette ermöglichen nachhaltige Wettbewerbsvorteile? Diese Aufgaben sind unabhängig von der Kostenfrage unter die eigene Kontrolle zu bringen. Alles andere steht zur Disposition.
Wie müssen sich Unternehmen neu aufstellen?Die zunehmende Komplexität stellt auch die traditionelle funktionale Organisation in Frage. Immer noch sind tiefe funktionale Silos anzutreffen, die von mächtigen Fürsten gegen die Interessen der anderen Fürsten verteidigt werden. Der Vertrieb will sich nicht von der Redaktion dreinreden lassen und umgekehrt. Das ist der beste Weg seine Möglichkeiten auf ein Minimum zu begrenzen. Jede strategische Initiative oder jedes neue Geschäft wird im Keim erdrückt. Das Ergebnis ist der kleinste gemeinsame Nenner, eben Einstellungsstopps etc.
Die Tendenz geht hin zur Trennung unterschiedlicher Geschäfte, um deren jeweilige Anforderungen besser gerecht zu werden. Vor diesem radikalen Wandel hin zu Business Units schrecken viele Unternehmensführer zurück, stellt eine solche Veränderung doch das Machtgefüge im Verlag auf den Kopf. Ehemals mächtige Funktionsfürsten werden Servicestellen. Das Sagen haben Unternehmer im Unternehmen, deren Vorhaben um die knappen Ressourcen konkurrieren.
Mit welcher anderen Branche könnte man die Personalentwicklung in der Buchbranche am ehesten vergleichen? Welche Leute werden künftig in Verlagen gebraucht, welche nicht?
Die Geschäfte der Verlage und damit die Anforderungen an die Personalentwicklung sind so unterschiedlich, dass ein einheitliches Leitbild eher schadet den nützt. Wird ein Verlag in überschaubare selbständige Business Units aufgespalten hat dies Konsequenzen auf die Anforderungsprofile der Führungskräfte und Mitarbeiter. Gefragt sind die Unternehmer im Unternehmen. Wichtiger werden auch Mitarbeiter, die Netzwerke organisieren können. Traditionelle Rollenbilder in der Redaktion oder in der Herstellung verlieren an Bedeutung.
Zur Person: Helmut Haimerl (Profil bei Xing) ist Unternehmensberater und Medienexperte. In der Studie "Medienmanagement im Wandel" beschrieb er die zunehmende Dynamik und Komplexität als die strategischen Herausforderungen der Verlage. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Fachartikel und Referent.