Frankfurter Buchmesse

Verpasste Chancen

17. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
Auf dem Podium im Forum Dialog (Halle 6) sitzen zwei Frauen, eine aus Festlandchina, eine aus Hongkong. Sie sind „Chinese Women in Publishing“, reden über ihren Alltag, über das Büchermachen und -verkaufen – über dies und das. Die Minuten verstreichen, doch alles Warten ist vergebens. Denn die entscheidenden, interessantesten Fragen werden erst gar nicht gestellt.
Wie die Karrierewege von chinesischen Frauen verlaufen? Welche Chancen sie haben und welche Jobs sie bekommen? Das müssen sich die rund 60 weiblichen Zuhörer des Bücherfrauen-Talks schon selbst zusammenklauben, aus dem, was zu ihnen in die Ebene des Forums Dialog durchdringt...

Wang Fang, die Festlandchinesin, hat es bei FLTPR (Foreign Language Teaching and Research Press, Peking) bis in die Führungsspitze geschafft. FLTPR ist eines der größten Verlagshäuser Chinas - Wang Fang verantwortet (in der Position einer Vize-Präsidentin) das Marketing und den Verkauf, wacht über einen Jahresetat von umgerechnet etwa 200 Millionen Euro. Sieben der zehn Abteilungsleiterjobs sind von Frauen besetzt. „Unser Präsident sagt immer, wir sind sehr fleißig, oft fleißiger als die Männer.“

Was man von ihr lernen kann: In China geht alles seinen Gang. Absatzsorgen habe sie jedenfalls nicht, sagt sie (übrigens in nahezu perfektem Deutsch); letztlich sei ja auch der Buchhandel staatlich gestützt. Und wie steht es mit Raubkopien? Tja, meint Wang Fang. Das sei ein großes Problem, vor allem bei ihren Bestsellern. „Wenn ein Buch eine gute Jahresauflage erreicht, 50.000 Exemplare, kann man sicher sein, dass davon zusätzlich noch 40.000 Raubkopien kursieren“ – was einer Quote von 80 Prozent entspricht.  

Verglichen mit Wang Fang ist das, was Mary Chan aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong erlebt, ein Abenteuer. Mary Chan betreibt in der Metropole an der Südküste Chinas einen kleinen, unabhängigen Verlag (mccm creations) und vermarktet ihre Bücher auf eigene Faust.

Die Hürden, ein Buch zu veröffentlichen, seien niedrig, erzählt sie. „Von ihrem Verkauf zu leben, ist für mich dennoch schwierig“, erzählt sie – der Buchhandel sei ein Nadelöhr. Obwohl es nach wie vor erhebliche Preisunterschiede gebe, exportiere sie ihre Bücher deshalb auch aufs Festland. Die ersten habe sie vor fünf Jahren noch im Rollkoffer über die Grenze transportiert. „Ich bin froh, dass ich heute mit chinesischen Verlagen kooperieren kann.“

So interessant das alles ist: Als 50 Minuten um waren, und sich die Moderatorin Veronika Licher bei den beiden chinesischen Frauen höflich bedankte, machten viele der Zuhörer lange Gesichter. „Jetzt habe ich solange ausgehalten und doch nicht viel mehr erfahren als bei jeder anderen Gastland-Diskussion auf der Messe“, sagt eine von ihnen; „schade.“

Zu rechnen war damit nicht. Die Bücherfrauen, ein weltweites Netzwerk von Frauen in der Buchbranche (www.buecherfrauen.de), organisieren bereits seit 2006 jedes Jahr eine Gesprächsrunde mit Frauen des jeweiligen Gastlandes – die stets sehr offen über ihre besondere Situation sprachen. Mit China hat das nicht geklappt…