Am Freitag hatte ich noch das Gefühl, dass sich die vielen Leute ganz gut auf der Fläche verteilten. Als am Samstag aber die Besuchertage begannen, kam zu der Unübersichtlichkeit, welche die Buchmesse ohnehin mit sich bringt, ein unbeschreibliches Gedränge hinzu. Die Massen quetschten sich wie bei einem Popkonzert durch die Gänge. Und auch ich ließ mich von Stand zu Stand treiben. Ich besuchte Lesungen und Interviews mit Autoren, aber auch Fachvorträge. Als Orientierungspunkt dienten mir dabei natürlich keine der zahllosen optischen Reize. Vielmehr war ich auf das angewiesen, was es zu hören gab. Und es sprach eigentlich immer irgendwo irgendwer in ein Mikrofon. So suchte ich mir einige der Veranstaltungen doch eher zufällig heraus.
Andere steuerte ich ganz gezielt an, nachdem ich zuvor einen meiner Kommilitonen im Katalog hatte nachsehen lassen, was denn in nächster Zeit auf dem Programm stehen würde. Die Einträge, die in diesem Veranstaltungskalender für eine bestimmte Uhrzeit angegeben waren, erstreckten sich nicht selten über mehrere Seiten. Alleine das raubte mir schon den Atem. Der Ausstellerkatalog war ebenso überwältigend.
Daher fragte ich gezielt nach, wo denn dieser oder jener Verlag zu finden sei, bevor ich mich nach ihm auf die Suche machte. Ich merkte mir dann grob, aus welcher Richtung ich gekommen war, um später leichter zum Stand der Erlanger Buchwissenschaft zurückfinden zu können. Ich versuchte mir außerdem einzuprägen, wo in etwa ich an einem Infostand vorbei gekommen war. Und so hangelte ich mich vorwärts. Viele der Aussteller und Besucher halfen mir. Sie brachten mich ein Stück weit da oder dort hin. Manche führten mich sogar zur Erlanger Buchwissenschaft zurück. Andererseits traf ich auch auf etliche Blinde. Nicht solche mit einem weißen Stock in der Hand oder einer gelb-schwarzen Binde am Arm. Die Blinden, die meinen Weg auf der Frankfurter Buchmesse kreuzten, waren in Wahrheit Sehende, die mich anrempelten oder sich darüber ärgerten, dass ich ihnen nicht aus dem Weg ging.
Währenddessen bekam ich den Eindruck, dass man Tage lang über das Messegelände laufen könnte und selbst dann noch nicht alles, wofür man sich interessierte, gesehen hätte.
Ein Unternehmen, dass Punktschriftbücher im Gepäck hatte oder sonst irgendwie mit der Lesewelt der Blinden verbandelt gewesen wäre, stellte allerdings nicht auf der Messe aus; zumindest konnte ich keines entdecken. Dabei wäre die Zielgruppe sogar vor Ort gewesen. Wie ich erfuhr, hielten sich immer wieder Blinde bei den Hörbuchverlagen oder auch beim Forum des Arbeitskreises Hörbuchverlage auf. Überdies hoffe ich, dass sie die Publikationen der Verlage wenigstens angefasst haben. Denn Bücher, die man nicht lesen kann, lassen sich trotzdem erleben. Wie hochwertig ist das Papier? Fühlt es sich beispielsweise glatt an oder rau? Und welche Weiterverarbeitung wurde für den Titel verwendet? Ist der Umschlag kaschiert?
Schließen Sie doch noch einmal die Augen und lassen sich dann ein Buch in die Hände legen. Ich bin mir sicher, Sie könnten mir sagen, ob es sich um ein schlichtes Lexikon oder um einen aufwändig gestalteten und nicht ganz billigen Bildband handelt.