Ist libreka! ein Flop, Herr Schild?
Schild: Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben binnen 24 Monaten eines der weltweit wichtigsten Digitalisierungsprojekte der Buchbranche aufgebaut, mit bisher mehr als 100 000 digitalisierten Volltexten und führend im Angebot aktueller deutschsprachiger Literatur. Libreka! trägt wesentlich zur Transformation unserer Branche bei: Noch vor anderthalb Jahren haben wir die Bücher weitgehend selbst digitalisieren müssen, um an ihre Inhalte zu gelangen. Heute sind Verlage und Buchhandlungen mit libreka! in der Lage, im digitalen Wettbewerb zu bestehen – ein Unterschied zu anderen Medienbereichen, der größer kaum sein könnte.
Die MVB als Motor der Digitalisierung?
Schild: Libreka! schreibt seine Erfolgsgeschichte vor allem, weil die Plattform ein Projekt der gesamten Branche ist. Das gibt es in der Weise in keinem anderen Land der Welt. Dieses gemeinschaftliche Bemühen findet national wie international enormen Widerhall. Auf allen großen Konferenzen wird unsere Gemeinschaftsplattform als Referenzbeispiel dafür gesehen, wie eine gesamte Branche den Sprung in die digitale Zukunft schaffen kann. Deshalb darf und sollte die ganze Buchbranche stolz auf libreka! sein.
Stolz etwa auch auf die bisherigen Verkaufszahlen?
Schild: Wir machen grundsätzlich keine Verkaufszahlen öffentlich, schließlich handelt es sich um Zahlen unserer Partnerverlage und -buchhandlungen. Aber davon ganz abgesehen, halte ich Vorwürfe wegen angeblich geringer Verkaufsperformance von libreka! in der jetzigen Marktphase für verfehlt. Der Markt ist eben erst im Begriff, sich zu entwickeln.
Immerhin gibt es in der Branche Diskussionen, seit ein anonymes Papier zu libreka! durchs Internet geistert, in dem behauptet wird, die Verkaufszahlen von E-Books lägen im Bereich nahe null. Manche sorgen sich nun um die langfristigen Erfolgsaussichten.
Schild: Noch einmal: Der E-Book-Markt wird sich in Deutschland erst noch entwickeln, das aber sehr rasch und dann sehr dynamisch. Alle, die sich auf dieses kommende Geschäft vorbereiten, verkaufen zurzeit noch nicht viel; da findet sich libreka! in bester Gesellschaft. Es geht heute darum, bekannt zu werden und die Kunden von morgen zu finden. Die Branche macht sich jetzt fit für einen zukünftigen Markt. Wie schnell der da sein wird, lehrt uns das Beispiel der USA. Dort hatten wir 2007 noch so gut wie kein E-Book-Geschäft. Aber schon heute entspricht der US-E-Book-Markt im Verhältnis zum gesamten nationalen Buchmarkt in etwa dem Anteil des Hörbuchs im deutschen Markt.
Sie halten also die Aufregung um das anonyme Papier für unbegründet?
Schild: Die MVB stellt sich jeder begründeten Kritik und ist offen für jede konstruktive Anregung. Das Papier, auf das Sie anspielen, erfüllt diesen Maßstab nicht. Es enthält möglicherweise bewusste falsche Aussagen. Wir behalten uns deshalb juristische Schritte vor.
Sie haben für libreka! viel Geld in die Hand genommen. Muss man ein neues Euro-Grab befürchten, falls der E-Book-Markt nicht bald zum Fliegen kommt?
Schild: Libreka! ist heute schon profitabel und wird es auch in Zukunft sein. Die Höhe der Einnahmen hängt natürlich von den zukünftigen E-Book-Verkäufen ab; aber wir haben Sorge dafür getragen, dass die Plattform in jeder Entwicklungsstufe wirtschaftlich betrieben werden kann.
Profitabel, weil querfinanziert durch das VLB?
Schild: Die beiden Produkte lassen sich doch nicht mehr sinnvoll voneinander trennen. Die Inhalte von libreka! sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des VLB, weil Bücher in Zukunft ganz anders bibliografiert und erschließbar gemacht werden; da muss man über die Volltexte verfügen. Wir haben uns darauf vorbereitet und das VLB in den vergangenen zwei Jahren komplett runderneuert: Dort sind nun Titelmeldungen in Echtzeit möglich. Man bekommt tagesaktuelle Lieferbarkeitsinformationen zu mehr als 70 Prozent der verzeichneten Titel. Wir haben Fremdkataloge integriert.
Wie wollen Sie es erreichen, dass libreka! für Endkunden ein relevantes Portal wird? Bislang war von Marketing nichts zu sehen. Und die MVB hat Erfahrung fast nur im B-to-B-Geschäft.
Schild: In der Tat haben wir mit dem Endkunden-Marketing eben erst begonnen – und zwar aus gutem Grund. Man muss doch erst einmal etwas vernünftig hinstellen, bevor man damit beginnt, darüber zu reden und es draußen bekannt zu machen. Mit der Frankfurter Buchmesse hat aber die Endkunden-Ansprache forciert begonnen: deshalb unsere Download-Days, deshalb die Kooperation mit der »Bild«-Zeitung, deshalb in Kürze eine kostenlose iPhone-Applikation.
Was haben die Download-Days gebracht?
Schild: Wir haben E-Books in einem mittleren fünfstelligen Bereich ausgeliefert. Das Kundeninteresse war riesig. Wir haben damit belegt, wie groß heute schon die Aufmerksamkeit für libreka!, aber auch für den elektronischen Buchmarkt geworden ist.
Sind Sie zufrieden mit dem Zugriff auf libreka!, der über Partnerseiten kommt?
Schild: Sehr sogar. Mehr als ein Viertel unseres Traffics verdanken wir solchen Partnerseiten, die libreka! eingebunden haben. Das ist ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor für diese Plattform. Die großen Online-Buchhändler gehen da voran. Leider haben wir noch viel zu wenig kleinere Buchhändler, die uns in ihre Seite einbinden – obwohl der Service für sie nichts kostet. Da werden wir in der Vermarktung zulegen müssen.
In der Vermarktung über die Suchmaschine Google auch?
Schild: Wir werden bei Google noch nicht in der Güte gefunden, wie wir gefunden werden könnten. Libreka! taucht noch zu selten in den Trefferlisten auf. Wir sind mit Google darüber in Verhandlungen – in ziemlich zähen Verhandlungen, wie ich leider sagen muss. Ich gehe aber davon aus, dass auch für Google die Kooperation mit libreka! auf mittlere Sicht von hohem Interesse sein wird.
Zur Kritik an libreka! gehört bisweilen der Vorwurf, es gebe zu häufig Pannen und Verzögerungen im Alltagsgeschäft. Können Sie Abhilfe in Aussicht stellen?
Schild: Wir machen das größte Digitalisierungsprojekt der Branche im vollen Scheinwerferlicht der Verbands- und der Fachöffentlichkeit. Da wird natürlich alles sichtbar, auch das, was bisher nicht optimal gelingt. Wir haben zurzeit noch personelle Engpässe im Servicebereich. Das kann zu Verzögerungen in der Bearbeitung von Verlagsaufträgen führen. Allerdings haben wir inzwischen mehr als 1 200 Verlage, die wir zum Teil intensiv betreuen und beraten. Der Ausbau unseres Servicebereichs steht daher weit oben auf der Agenda. Aber auch hier müssen wir mit Augenmaß vorgehen. Die Kostenseite darf nicht explodieren, solange es der Markt noch nicht tut.
Was steht für die nächsten Monate bei libreka! an?
Schild: Wir wollen das attraktivste Angebot am Markt etablieren – deshalb werden wir gemeinsam mit der Branche diskutieren, wie wir die Kundenfreundlichkeit erhöhen können. Das betrifft die Anzahl der angebotenen E-Books, den Kopierschutz und die Preisgestaltung.