Fachbuchautoren schreiben nachts, nach getaner Arbeit, während andere bei Wein und Gesang gesellig sind. Sie blicken auf die Ecos und Mankells, aber ach, auf den Messen müssen sie vor drei verstreuten Fachkollegen referieren, und die Presse stürzt sich auf die Häppchen beim Literaturpreis. Lektoren und Verleger sind deshalb Meister geworden im Vermitteln von Anerkennung. Sie treiben die Autoren nicht nur in Formatvorlagen, Styleguides und Abgabetermine, sie halten ihnen auch das Händchen, entwickeln mit ihnen für kleine Zielgruppen ganz besondere Angebote, wissen vorausschauend wie kein anderer, was die Probleme der Zukunft sein werden – kurzum, bestätigen die Fachleute in ihrer Bedeutung in der Nische.
Bestätigen sie darin, dass sie am Wochenende nicht den Garten, Kinder betreuen oder golfen sollten, sondern aufklären über Umsatzsteuersonderregelungen, die Pflege von Sittichen und neueste Kunststofftechniken. Denn der Autor ist die Koryphäe auf seinem Gebiet, alle orientieren sich an seinen Worten, und gemeinsam mit seinem Verlag ist er meinungsbildend. Das reichte lange, um Programm zu machen.
Und jetzt?
Beim Abendessen muss dem Fachautor vermittelt werden, dass das Buch, obwohl das Standardwerk, nur noch in einer Auflage von 340 Exemplaren gedruckt werden kann. Dafür seien für ihn in der Datenbank die Indizes 4399-4453 reserviert worden, und es sei elektronisch auch noch bei Ciando, Thalia, Amazon und Google erhältlich. Nein, mehr Honorar gäbe es nicht, und wenn Sie bitte auch die neuen Regeln für suchmaschinen-optimierte Texte …
Im Verlag präsentiert eine Agentur das neue Portal. Sieht gut aus! Was halten Sie davon, die Suche rechts oben sichtbar zu machen? Habe ich gestern bei Spiegel online gesehen. Hätte nicht im Lastenheft gestanden? Geht jetzt nicht mehr?
Die Beispiele zeigen: Künftige Fachverlage erfordern Fähigkeiten, die in der Kultur des kreativen Autorengesprächs und der Entwicklung von Programmen nicht so bedeutend waren. Die genaue Definition von Ziel und Leistung zu Beginn eines Vorhabens, die präzise Formulierung der »deliverables«, wie es bei IBM so schön heißt, die eindeutige Verteilung der Aufgaben, all das sind Anforderungen aus dem Software-Projektmanagement, die künftig zum unverzichtbaren Rüstzeug jeder Führungskraft in Verlagen gehören.
Man muss abwägen können, wann und mit wem kreativ neue Ideen entwickelt werden, und wer klare Vorgaben braucht. Die Kreativität des Entwicklers liegt im Code verborgen. Er benötigt nicht auch noch sprunghafte Anweisungen, sich ständig ändernde Rahmenbedingungen. Und zugleich wollen die Teilschritte im Softwareprojekt gut beobachtet werden. Sie bieten Überraschungen, weil sie eine Blackbox öffnen: Jeder hat dann doch etwas anderes verstanden, und für Entwickler ist zu Beginn eben nicht immer vorhersehbar, wo sich Tücken ergeben. Bei der Bewertung der Leistung liegen Fleiß, Faulheit, Unfähigkeit oder falsche Erwartungen dicht beieinander. Meilensteine gilt es zu sammeln auf dem Weg, um gemeinsam zu einer akzeptablen Lösung zu gelangen.
Dies sind Fähigkeiten, die immer gebraucht wurden, wenn neue Technologien den Markt geprägt haben.
Nicht dass man künftig keine Autorenessen mehr bräuchte und kreative Ideen. Aber eben auch Release-Partys.