Liebe Marktteilnehmerinnen und liebe Marktteilnehmer,
den Banken geht es wieder besser, wie schön! Unsereins hat zwar immer noch einen Malus bei der Autoversicherung, aber Hauptsache, die Banken zahlen wieder Boni, die sich sehen lassen können, Dividende et impera oder so ähnlich. Denn so viel haben wir im vergangenen Jahr doch allemal gelernt: Ohne dass es den Banken gut geht, geht in der Wirtschaft gar nichts. Und weil ja auch Verlage – doch, doch – ein Teil der Wirtschaft sind, ist unsere Freude jetzt groß. Sicher geht es nun auch uns gleich viel besser, und vielleicht überlegt es sich Egon Ammann ja doch noch mal, und Urs Engeler macht den Laden auch wieder auf, die Aktien steigen, die Hoffnung steigt, und da sollen die Umsätze im Buchhandel das Einzige sein, was im kalten Keller bleibt?
Nicht doch: Ein Blick auf die Verkaufszahlen des neuen Schätzing, und es darf wieder Weihnachten werden. Es geht aufwärts, Freunde, da gibt’s nichts zu meckern, die Leute werden die Ärmel aufkrempeln wie zuletzt in den Jahren des Wirtschaftswunders, und wenn sie dann nach Hause kommen nach eines langen Tages Reise, werden sie in den kalten Keller gehen und sich ein wohlverdientes kühles Bier heraufholen. Und dann werden sie sich, so wie sie es immer getan haben, in ihren Sessel setzen und einen Lyrikband aufschlagen, was sonst? Von Kookbooks vielleicht oder eben von Engeler, aus verlässlichen Häusern jedenfalls. Ja, Gedichte, das sind kurze Texte, die die Sache auf den Punkt bringen, mental erfrischend, auch ohne Musik schön zu lesen und, wie gesagt, vor allem kurz und bündig, wie es der arbeitende Mensch gern hat.
Das bringt für die Lyrikverleger natürlich auch eine Verantwortung mit sich, ich meine, man kann den Leuten da nicht irgendwas zumuten. Wenn man schon nicht so viel Zeit hat, so knapp vor der »Tagesschau« und dem Bett, dann muss das Gedicht auch etwas heißen, dann muss es einen fordern und anspruchsvoll sein, nicht etwas, was mal eben so reinflutscht, nein, etwas, was Fragen stellt, die nachhaltig sind, Bilder, die sich einhaken, Klänge, die bleiben. Alles klar?
Egal, ob man zu den kleineren Verlagen, den kleinen oder den Kleinverlagen zählt: Gerade jetzt schlägt deren Stunde. Wobei ja die kleineren unter denen noch die größeren sind, was aber keine Rolle spielt, jetzt machen bitte alle auf Risiko. Denn wenn die Banken schon mal wieder den einen oder anderen Kredit rauslassen, dann sollte man sich auch als Kleinstverleger ein Beispiel an den Boni-Managern nehmen und ruhig mal ein bisschen spekulieren. O.k., die machen es nicht mit ihrem Geld, aber geben die Verleger das Risiko nicht auch gnadenlos an die Leser weiter? Wessen Geld ist es denn, das da ausgegeben wurde, bevor die nach eines langen Tages Reise usw. ihren Gedichtband aufschlagen und denken, sie lesen nicht recht? Wer gibt denen denn das Geld zurück, wenn das Buch im Papierkorb landet?
Eben. Und weil das so ist, und weil es schon mal vorkommen kann, dass so ein Leser auf einmal feststellt: Du musst dein Leben ändern, darum müssen gerade die kleinen Verleger ihre Arbeit ganz, ganz ernst nehmen. Haben wir uns verstanden?