Schild skizzierte dabei zunächst die Eckdaten - als Grundlage für die anschließende Diskussion. Die Abrechnungssumme, die über die BAG abgewickelt wird, dürfte allein in diesem Jahr um voraussichtlich 7,4 Prozent sinken, so Schild. Dabei habe die Branche erst vor zwei Jahren 14 Millionen Euro in die Rettung der BAG gesteckt – zum einen, um eine unkontrollierte Insolvenz zu verhindern, zum anderen, um ein unverzichtbares Brancheninstrument zu erhalten: »Das ist ein krasser Gegensatz zu der aktuellen Entwicklung«, sagte Schild, der den Abwärtstrend beim Abrechnungsvolumen vor allem auf zwei Gründe zurückführt:
- Es gibt Verlage oder Verlagsgrupppen, die dem Handel keine BAG-Abrechnung mehr anbieten – oder zu schlechteren Konditionen als beispielsweise beim Bankeinzug.
- Die Zahl der Fakturgemeinschaften und Sammelabrechnungen nimmt zu – ohne dass Verlage und Verlagsauslieferungen diese Modelle in die Drehscheibe BAG einbinden.
Große Volumina wie Rosinen aus dem Abrechnungsverkehr herauszupicken und der BAG den Rest zu überlassen – das dürfe nicht sein, mahnte Schild, der bei der Tagung in Frankfurt auch die Ergebnisse einer aktuellen Kundenumfrage vorstellte. 4000 BAG-Teilnehmer wurden befragt, die Rücklaufquote lag bei 26 Prozent. Dreiviertel der Sortimenter machten dabei deutlich, dass der Liquiditätsvorteil über die BAG für sie "wichtig" oder gar "sehr wichtig" sei. Und nahezu alle Umfrage-Teilnehmer gaben zu Protokoll, dass die BAG dabei helfe, die Buchungsvorgänge deutlich zu senken und damit nicht nur Kosten, sondern auch Zeit spare – im Schnitt acht Arbeitsstunden pro Monat. Außerdem kann die BAG mit besonders niedrigen Ausfallquoten aufwarten: »Die BAG-Abrechnung gehört zu den letzten Dingen, die ein Sortiment nicht bezahlt«, betonte Schild.
Er geht davon aus, dass die BAG das Jahr 2009, in dem Sonderaufwendungen für die komplexe und zunächst nicht ganz reibungslose Umstellung der IT-Struktur angefallen sind, mit einer »schwarzen Null« abschließt. Im nächsten Jahr hätte die MVB-Tochter eigentlich kräftige Gewinne erwirtschaften sollen – doch der Einbruch beim Abrechnungsvolumen steht dem entgegen. Dabei biete die BAG auch den Verlagen ganz klare Vorteile, warb Schild. Sie würden von einer heterogenen Buchhandelslandschaft mit vielen kleinen Sortimenten profitieren: »Es kann nur im Interesse der Verlage sein, ihre margenstärksten Kunden entsprechend zu fördern und zu unterstützen.«
Danach bezogen die drei Fachausschüsse Stellung – und der Tenor war bei Verlegern, Sortimentern und Zwischenbuchhändlern ganz ähnlich: Die Branche braucht die BAG und will sie erhalten, aber nicht um jeden Preis. Die BAG sei ein Wirtschaftsbetrieb und müsse sich selber tragen, so Heinrich Riethmüller, Vorsitzender des Sortimenter-Ausschusses. »Rote Zahlen sind auf Dauer nicht akzeptabel«, sagte auch Bernd Weidmann für den Verleger-Ausschuss: »Mittelfristig muss die BAG profitabel arbeiten«. Der Zwischenbuchhandel grenzte den Zeitraum dafür präziser ein: und zwar auf »zwei Jahre nach Erreichen der Verlustzone«.
»Bei allem Nutzen für die Branche - die BAG ist kein Selbstläufer mehr«, so brachte der Verleger Karl-Peter Winters als Präsident des Branchenparlaments die Lage auf den Punkt. Und es sei gut und richtig, dass der Börsenverein so früh auf die sich abzeichnenden Probleme hinweise. In der anschließenden Diskussion spielte das Junktim eine zentrale Rolle: Bislang müssen BAG-Teilnehmer auch Mitglieder im Börsenverein sein. Weil die BAG aber nun verstärkt neue Kunden aus buchnahen Branchen akquirieren soll und will, beispielsweise Nonbook-Anbieter, stellt sich die Frage, ob die Rückkopplung an den Verband noch Sinn macht: »Wenn wir wollen, dass die BAG neue Geschäftsmodelle entwickelt, neue Kunden anspricht, müssen wir uns in diesem Punkt entscheiden«, so beispielsweise Thomas Bez von Umbreit.
Schatzmeister Jürgen Horbach rechnete dagegen vor, dass kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 800 000 Euro die Hälfte der Börsenvereins-Mitgliedsbeiträge beisteuern würden – und gleichzeitig diejenige Kundengruppe stellten, die am stärksten von der BAG profitiere: »Als Schatzmeister des Verbands habe ich deshalb wenig Neigung, das Junktim aufzugeben«. Eines ist für Horbach ohnehin klar: »Gegen den Markt kann die BAG nicht arbeiten«. Zu den aktuellen Problemen trage der Konzentrationsprozess der Branche bei. Mit Neukunden-Akquise allein sei das Ruder kaum herumzureißen.
Das Junktim vorschnell aufzugeben – davor warnte auch Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. Er wies darauf hin, dass der Verband 2010 gemeinsam mit der BAG eine große "Werbeoffensive" um neue Mitglieder starte:»Davon versprechen wir uns einiges, auch für die BAG«. Vorsteher Gottfried Honnefelder plädierte ebenalls für Geduld in der Junktimfrage. Der Aufsichtsrat der Börsenvereins-Holding BBG werde sich im Dezember mit möglichen Zukunftsszenarien für die BAG befassen, der Börsenvereinsvorstand diese Szenarien dann im Februar 2010 diskutieren. Honnefelder schlug deshalb vor, das Thema BAG bei der nächsten Branchenparlaments-Sitzung im Frühjahr erneut auf die Tagesordnung zu setzen: »Dann sehen wir weiter«.
Deutlich wurde in der Debatte auch, dass die Rationalisierungspotenziale in der BAG selbst weitgehend ausgeschöpft sind: »Die Hälfte unserer Kosten sind Fixkosten«, rechnete Ronald Schild vor: »Hier gibt es kaum noch Spielraum für weitere Kürzungen – ohne damit auch die Leistungen herunterzufahren.«
Am Ende der Debatte sprach das Branchenparlament die Empfehlung aus, die BAG weiterhin zu unterstützen, die Prozesse bei der MVB-Tochter zu optimieren und neue Kunden zu akquirieren. Gleichzeitig appellierte das Gremium an die gesamte Branche, die BAG als Drehscheibe für den Abrechnungsverkehr zu nutzen – und zwar nicht nur für einen Teil der eigenen Umsätze.