Diese Einschätzung passt gut zu der Auffassung der meisten Teilnehmer auf dem 3. E-Book-Tag in der Bayerischen Staatsbibliothek. Noch nicht ganz ausgereift, meistens in schwarzweiß und noch fern von all den Möglichkeiten, die man sich von einem elektronischen Dokument verspricht, passte vor allem Prof. Dr. Ursula Rautenbergs Bezeichnung der „digitalen Buchrolle“. Denn obgleich die Geräte, die es derzeit auf dem Markt gibt, schon einige gute Ansätze haben, sind die Möglichkeiten noch recht eingeschränkt. Tabellen und Grafiken, wie man sie in Fachbüchern öfters zu sehen bekommt, sind bisher durch das übliche 6 Zoll Display nur restriktiv benutzbar.
Kindle DX als Möglichkeit für Studenten?
Der neue Kindle DX von amazon, der seit Sommer 2009 in den USA auf dem Markt ist, bietet für dieses Anliegen die richtigen Voraussetzungen. Hier ist das Display in der Bildschirmdiagonale 9,7 Zoll groß (ca. 25 cm) und zusammen mit einem erstmals in der Kindle-Serie integrierten PDF-Viewer sollen vor allem Zeitungsleser und Studenten angesprochen werden. Nachteilig jedoch ist, dass es sich bei dem PDF-Programm eben nur um einen Viewer handelt. Man kann dementsprechend weder die Schrift vergrößern, noch eventuellen Hyperlinks folgen.
Seit Herbst 2009 läuft an sechs amerikanischen Universitäten, darunter die Princeton University und die Arizona State University, ein Pilotprogramm zur Verwendung des Kindle DX im studentischen Alltag. Amazon hält sich bei der Veröffentlichung der bisherigen Resonanzen zurück. Laut einem Artikel in „The Daily Princetonian“, der Campuszeitung von Princeton, ist jedoch von Begeisterung bisher wenig zu spüren. Die meisten Studenten bemängelten die langsamen Reaktionszeiten des Gerätes, sowie die mangelnden Möglichkeiten Notizen und Hervorhebungen machen zu können. Zudem sind die 9,7 Zoll Bilddiagonale noch weit entfernt von Din A4 oder US Letter, den beiden gängigen Papierformaten, in denen sich die meisten gescannten PDFs befinden.
Auch wenn der Kindle DX noch nicht das Gelbe vom Ei ist, die Idee weist in eine richtige Richtung. Denn um Studenten anzusprechen, darüber waren sich die Referenten sowie das Plenum einig, benötigt es ein großes Display, um die PDFs, ohne die man heute kaum noch das Studium bestreiten kann, auch adäquat lesen zu können.
Konkurrenz Tablet PC
Unerwartete Konkurrenz könnten die E-Reader aus einer anderen Ecke bekommen. Seit Monaten häufen sich die Gerüchte um ein Tablet PC aus dem Hause Apple. Jedoch handelt es sich bislang noch um unbestätigte Meldungen und es ist fraglich, inwieweit die Probleme von den bisher erschienenen Tablet PCs überwunden werden können.
Ein maßgebliches Kriterium wird hier die Akkuleistung sein, denn wenn nach einer Stunde der Akku leer ist, ist auch so ein Tablet PC mehr als sinnlos. Auch die Größe und das Gewicht wird mit entscheiden, ob das Tablet eine Gefahr für die mobilen E-Reader wird. Die Mobilität ist schließlich und endlich das wesentliche Kriterium dieser Geräte. Ohnehin sollten die Erwartungen an das „Apple Tablet“, wie es im Internet genannt wird, nicht zu hoch sein. Denn bei der zu vermutenden Prozessorleistung wird auch die Schrifterkennung nur maximal 95% erbringen können. Das klingt viel, ist aber in der Praxis wohl eher nervig und hinderlich. Dementsprechend würde das direkte Hineinschreiben in Dokumente auch hier bislang nur mäßig funktionieren.
Von Aggregatoren und Verlegersorgen
Ein interessanter Vortrag, der mit Lesergeräten nur peripher zu tun hatte, behandelte die Aufgabe von Ciando GmbH als elektronischen Zwischenbuchhändler. Auf Grund des umfassenden Leistungsspektrums des – nicht nur reinen – E-Book-Anbieters sah Dr. Werner-Christian Guggemos, Mitgründer von Ciando, sich und seine Firma mehr als Aggregator. Denn neben der erfolgreichen Plattform www.ciando.de, beliefert Ciando Internetshops bekannter Buchhändler, kümmert sich um die technischen Notwendigkeiten, betreibt E-Book-Seiten für ca. 40 Bibliothekspartner und ermöglicht Verlagen, ihre E-Books direkt zu vertreiben. Die Bücher liegen dabei zentral auf einem Server von Ciando und stehen gesammelt für den Vertrieb auf den unterschiedlichen Plattformen bereit. Da diese direkt mit dem Buch-Server verbunden sind, erfährt der Käufer beim Kaufverfahren keinen Bruch.
Eine besondere Herausforderung für den Vertrieb sind zum einen die Datenformate, die oft in einer nicht verwertbaren Form vorliegen, aber auch das Urheberrecht. Vor allem bei Bildern und Übersetzungen sind oft Probleme involviert, aber auch die Autorenverträge sind bisweilen nicht auf dem neuesten Stand.
Dr. Frank Sambeth, der für Random House die Verlagssicht vertrat, beschrieb zudem das Pricing als Herausforderung. Zwar werden die niedrigen Preise in den USA oft als Grund für den E-Book-Boom angeführt, jedoch existiert dort keine Buchpreisbindung. Diese gilt hingegen in Deutschland auch für elektronische Bücher. Zudem gilt für E-Books der reguläre, statt des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Dabei, so Sambeth, dürfe man nicht vergessen, dass die Kosten der Vorproduktion ja trotzdem weiterhin bestehen würden und reagierte damit auf Bemerkungen, dass bei der Preisgestaltung „auch Kleinvieh […] Mist mach(en)“ würde.
Ein passendes Fazit zog Dr. Guggemos mit seiner Aussage, dass E-Reader auf Grund des niedrigen Stromverbrauchs der E-Ink-Technologie noch die nächsten Jahre das Geschehen dominieren werden. Aber solange die Reader nur schwarz-weiß darstellen, nur sehr langsam reagieren, weder Animationen noch größere Tabellen und Grafiken anzeigen und nur auf ein geringes Kontingent deutscher Titel zugreifen können, wird es in näherer Zukunft in Deutschland zu keinen „Kindle-Effekt“ kommen.