Glosse

Bescherung im Netz

18. November 2009
Redaktion Börsenblatt
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt – die Alarmleuchte im Rechenzentrum eines großen Online-Händlers, kurz vor dem finalen Fest. Der Webshop-Server droht abzuschmieren, IT-Techniker versuchen, einen digitalen Bypass zu legen, damit das Bestellsystem keinen Infarkt erleidet. Eine Glosse von Michael Roesler-Graichen.

Das Einkaufsgetümmel in den Online-Shops ist unbeschreiblich. Die Internet-Knotenpunkte glühen, die Energie­aktien steigen, und die Kunden ordern auf Teufel komm raus online. Kein Witz. Schon jeder Fünfte bestellt seine Geschenke online, nächstes Jahr ist es vielleicht schon jeder Dritte. Ja, die Zeiten des vorweihnachtlichen Geschäftssturms sind vorbei. Opa Hoppen­stedt (wer kennt nicht Loriots Kult­sketch »Weihnachten bei Hoppenstedts«) geht heute nicht mehr in den Spielzeugladen, um für seinen kleinen Enkel Dicki ein Atomkraftwerk zu kaufen. Und setzt keine rasselnde Affenkapelle in Bewegung, als er unwirsch auf den Tresen haut. Heute hätte er sowieso das Problem, einen Verkäufer zu finden, an dem er noch seinen Unwillen abreagieren könnte.

Wieso auch der ganze Geschenkestress? Bei den Nachfahren der Hoppenstedts wandert Weihnachten gleich komplett ins Netz. Man sitzt andächtig versammelt um den neuen 61-Zoll-Flachbildschirm. Ein digitaler Tannenbaum flackert – und dann ist Bescherung: Eine Diashow der Geschenke erfreut die Herzen. Auslieferung auf Wunsch – bei Nichtgefallen wird der Geschenkvorschlag umgehend gelöscht. Frohes Fest!