„Life is like a huge library…” Wenn Kinder Bücher schreiben

19. November 2009
Redaktion Börsenblatt
"... you’ll never get to see every single section, or every single book. But you can start, and choose one aisle to go down and you decide to travel or stay home, you could work with animals or children but the thing is, you only have one life so you have to choose the right book.“ Ein Bericht von Maria Krause.
Was wie die Aussage eines in die Jahre gekommenen, weisen Bibliothekars klingt, ist das Fazit von Ciara, einer 12 Jahre jungen Dame aus Irland. Ciara ist eines der Kinder, das sich 2008 an einem Buchprojekt mit „giggles, gags and giddy tales“ von Kindern und Jugendlichen in Irland beteiligte.

Hinter diesem Buch steht der kleine, aber in Irland sehr geachtete und einzigartige Verlag „Kids’ Own Publishing Partnership“. Er macht es sich zur Aufgabe Kinder in ihrer kreativen Entwicklung zu fördern und ihre Ideen, Geschichten, Träume in Büchern zu veröffentlichen.

Im vergangenen Semester absolvierte ich bei diesem Verlag über vier Monate ein ereignisreiches und spannendes Praktikum. Was ich erlebte waren nicht nur eine lockere Arbeitsatmosphäre sondern auch viel Humor, Gemeinschaft, kindliche Ehrlichkeit und Zielstrebigkeit wie den logischen Wunsch der achtjährigen Ruth: „When I am a twentysomething I would like to be rich. I'm going to start saving my money now!”

 

Kids’ Own Publishing Partnership, Ireland

 

Im nordwestlich gelegenen County Sligo steht zwischen Meer, Berg und jeder Menge Schafe und Kühe ein holzgetäfeltes, unkonventionelles Cottage mit dem Büro von „Kids’ Own Publishing Partner­ship“. Es ist zum einen ein Verlag, der Bücher mit Geschichten und Illustrationen von Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Die Arbeiten werden in Workshops zu verschiedenen Themen unter der Leitung von professionellen Künstlern aller Fach­richtungen (Literatur, Kunst, Theater, Film, Musik) zusammen­getragen. Zum anderen möchte „Kids’ Own“ professionelle Künstler fördern, die bereits in eigener Verantwortung Projekte für Kinder und Jugendliche anbieten. In dem Parallelprojekt „Practice.ie“ wird versucht, die bestmögliche Praxis in der Arbeit mit Kindern zu erforschen.

Ziel von „Kids’ Own“ ist es, Kindern Raum für ihren persönlichen Ausdruck zu geben. Es geht darum ihre Ideen wertzuschätzen, sie zu fördern und in ihrer Kreativität zu bestärken. Die Gestaltung von Büchern gibt somit einen Rahmen für den künstlerischen Ausdruck. Für mich war es eine Heraus­forderung Kinder und Jugendliche für eine alte Kunst wie das Büchermachen und Geschichten erzählen zu begeistern. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es viele andere spannende Dinge gibt. Daher ist es umso bereichernder zu sehen, mit welcher Vorstellungskraft und Freude sie gemeinsam an einem Projekt arbeiten und auch welche Disziplin sie entwickeln können. Und das ist erstaunlich, bedenkt man, dass die Materialien sich auf ein Minimum an Papier, Farbe und Leim beschränken, getreu dem Motto und in gewisser Weise irischer Mentalität „Keep it simple“. Ein äußerst hilfreicher Rat, der mich sehr geprägt hat, wird einem doch schnell klar, dass für komplizierte Gedanken einfach keine Notwendigkeit besteht.

 

Parallelen in Deutschland Buchkinder e. V. Leipzig

 

Unkompliziert, einfach, aber mit jeder Menge Spaß verbunden ist auch das ähnlich motivierte Projekt in Deutschland „Buchkinder e.V. Leipzig“, eine Buch- und Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche. In den Werkstätten können Kinder eigenständig ihr individuelles Buchprojekt von der Idee über die Gestaltung bis zum Druck und Binden umsetzen. Wichtig ist dem Verein dabei, die Kinder über einen langen Zeitraum dafür zu begeistern. Dadurch wird u. a. ihr Selbstbewusstsein gestärkt und der Umgang mit der eigenen Sprache unterstützt. In den Kursen lernen die Kinder im Umgang miteinander Team- und Kritikfähigkeit.

 

Die Faszination des Büchermachens

 

Es ist faszinierend zu sehen, wie durch derartige Projekte eine intensive Beziehung zum Buch wächst, wie viel Emotion, Ernsthaftigkeit und Stolz hinter dem eigenen Werk steckt und das im Zeitalter der Digitalisierung! Durch Praktika bei beiden Projekten dachte ich mir manchmal, wie schade, dass derartige Projekte nicht schon 15 Jahre eher umgesetzt wurden. Ich hätte bestimmt nette Geschichten über fliegende Zelte und tanzende Bären geschrieben. Erstaunlicherweise fiel mir nach meiner Rückkehr aus Irland ein kleines, selbst gedrucktes Buch in die Hand. Das haben wir Grundschüler im Alter von 9 bzw. 10 Jahren in unserer kleinen schuleigenen Druckwerkstatt gestaltet. Auch wenn es wirklich sehr simpel ist, es machte glücklich, stolz und Mut. Schließlich durfte man sich Mitherausgeberin eines Geschichtenbuches nennen und das mit 9 Jahren! Welch eine steile Karriere!

Jetzt bin ich Studentin Anfang 20, leider nicht reich, wie Ruth das anstrebt. Vielleicht habe ich mein Geld einfach nicht gut genug angelegt oder keine besondere Buch-Idee gehabt. Aber ich bin begeisterte Buchwissenschafts-Studentin. Möglicherweise weil ich schon als Kind Gutenbergs Lettern hin und her geschoben habe. Da stellt sich mir die Frage: welche Bedeutung hat eigentlich das Büchermachen für die kreative Entwicklung von Kindern und wie sieht der Nutzen auf lange Sicht aus? Vielleicht entsteht eine Liebe und Achtung vor dem gedruckten Buch oder die Motivation für nächtelanges Lesen und Schreiben. Doch wahrscheinlich wächst dadurch der persönliche Wortschatz und der Mut Ideen zu verwirklichen, z. B. Autor zu werden oder doch lieber Arzt, Astronaut, Fußballer? − oder ganz einfach: Buchwissenschaftler.