Meinung: Erfolg

Wenn Wünsche Wirklichkeit werden

26. November 2009
Redaktion Börsenblatt
Nautilus-Verleger Lutz Schulenburg über den Siegeszug von »Tannöd«. Und was er selbst daraus gelernt hat.
Vergangene Woche kam »Tannöd« ins Kino. In Berlin wurde für die Autorin, die Regisseurin, die Schauspieler und sonstigen Mitwirkenden ein roter Teppich ausgerollt. Die Frage, wie ein solcher Erfolg die Verlagsarbeit verändert, was im Rückblick für die Zukunft gelernt werden kann, ist nicht einfach zu beantworten.
Als kleinteilige Literaturproduzenten hat uns der Erfolg selbst­redend von einigen drückenden Sorgen enthoben, die einen unabhängigen Verlag ständig verfolgen. Gute Autoren, tolle Bücher, aber mäßiger Verkauf. Wer keine schnelldrehenden Titel hat, braucht Geduld, einen langen Atem und eine unerschütterliche Zuversicht – die üblichen kleinhändlerischen Tugenden eben. Der Erfolg der Bücher von Andrea Maria Schenkel hat uns vor allem auch in unserer Haltung bestärkt, nur zu verlegen, was unsere Begeisterung weckt, in das Programm passt und eine eigenständige Qualität besitzt. Generell kann man sagen: Alle Versuche, bei irgendeinem Trend mitzumachen oder im Gewässer seichter Unterhaltungsliteratur mitzurudern, führen ins Desaster. Das können andere weitaus besser.
Ob »Erfolge« gemacht werden können, weiß ich nicht. Für uns war das Manuskript, das die Autorin uns eines Nachmittags am Telefon anbot, das ideale Buch für unser Programm: ein solitärer, spannungsgeladener Roman. Wir waren uns sicher, die Buchhändler würden nach Erhalt des Leseexemplars unsere Begeisterung für diese neue Autorin teilen. So war es dann auch. Das Buch wurde mit Freude eingekauft.
Unsere Zuversicht bestand darin, die 3 000 Ex­emplare der ersten Auflage verkaufen zu können und möglicherweise noch eine zweite Auflage abzusetzen. Als wir Ende 2006 schon 15 000 Exemplare ausgeliefert hatten, gab es nur eine Stimme im Verlag, die in einer unserer Konferenzen aus lauter Übermut sagte: » Ja, ja, nicht schlecht, aber eine Null dahinter würde ich einmal in meinem Berufsleben doch auch gern erleben«, so die Verlagsmitgründerin Hanna Mittelstädt. Ein gutes Beispiel dafür, dass das Wünschen auch im 21. Jahrhundert noch funktioniert.
Es hört sich vielleicht etwas kokett an, aber für mich war der »Erfolg«, den uns die Bücher von Frau Schenkel gebracht haben, eine Bestätigung dessen, was wir machen können und was wir lassen sollten. Als kleiner Verlag sind wir gut bei den unabhängigen Sortimentern aufgehoben. Buchhändler, die ihr Publikum kennen, lokal aktiv sind, sich begeistern lassen und das vermeintliche Risiko nicht scheuen, sich auch für Abgelegenes einzusetzen. Die durch ihren Eigensinn diesem tollen Beruf sein besonderes Flair geben. Ich meine diese klugen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Entscheidungen einen immer wieder zu verblüffen wissen, durch ihre manchmal verwickelte Unternehmungslust, und die über Jahre hinweg mit freundlicher Aufmerksamkeit an der Auswahl ihres Sortiments festhalten.
Muckelhafte Leisetreter, reine Verkäufer, Buchpaket-Aus- und Remittendenpaket-Einpacker gibt es reichlich, diese Spezies kann man vergessen – egal ob die Fläche mit oder ohne Rolltreppe auskommt. Ich vermute, in den aufgeräumten Großflächen mit ihrer stromlinienförmigen Auswahl findet unser Programm auch zukünftig wenig Zuspruch.
Zu loben sind nur die eigensinnigen Buchhändler, die ein kleinteiliges, vielfältiges Sortiment am Leben halten. Buchhandlungen, in denen noch Entdeckungen gemacht werden können, selbst im hintersten Winkel der Republik. Nur mit diesen können wir auch in Zukunft – gedeihlich und kontinuierlich – zusammenarbeiten.