Bibliotheken haben keine Probleme, oder?

1. Dezember 2009
Redaktion Börsenblatt
In unserem Blog waren Bibliotheken schon einmal im Gespräch. Drei ganz besondere Archive – die Franckesche Stiftung und die Marienbibliothek in Halle sowie die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) – wurden dort vorgestellt. Aber wie sieht es mit den Bibliotheken im Allgemeinen aus?
In Deutschland wird durch das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz) jährlich die DBS (Deutsche Bibliotheksstatistik) durchgeführt. Sie ist die einzige Statistik, die alle wichtigen Kennzahlen in den Bereichen Ausstattung, Bestand, Entleihungen, Ausgaben, Finanzen und Personal der öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands enthält. Die Teilnahme ist freiwillig, doch bei der Betrachtung der Statistiken über die letzten neun Jahre fällt auf, dass 1999 noch 9.932 Bibliotheken mit 12.704 Standorten teilgenommen haben, während es im Jahr 2008 nur mehr 8.784 Bibliotheken mit 10.981 Standorten waren. Das sind genau 1.148 Bibliotheken, die bei der DBS auf einmal nicht mehr teilnahmen. 

Woran liegt das? An einem Desinteresse der Bibliotheken an der Statistik teilzunehmen? Auf eine Anfrage bei der Redaktion der DBS antwortete mir Susanne Stirnagel Folgendes: „Insgesamt gibt es einen Trend zu weniger Biblio-theken, kleinere Bibliotheken werden geschlossen oder fusionieren mit anderen. Oft werden durch anfallende Systemumstellungen keine Daten erhoben. Grundsätzlich scheint das Interesse an der DBS nicht zu schwinden, nur die Anzahl der eigenständischen Bibliotheken verringert sich.“ Die Mehrzahl der kleinen Bibliotheken, die aus der Statistik verschwinden, sind also in der Fusion mit größeren aufgegangen, damit die Bestände leichter zu verwalten sind. Leider bleibt eine ungewisse Grauzone an aufgelösten Bibliotheken bestehen.

Insgesamt hört sich das so an, als wäre alles in Butter. Und in mancher Hinsicht ist es das auch. Den Bibliotheken geht es als den Zentren der Informationsgesellschaft wirklich gut. Sogar das Internet macht der Bibliothek keine Konkurrenz, da sich die Anzahl der ausgeliehenen Bücher nicht verringert, sondern gerade in Bibliotheken, die viele Online-Publikationen vorzuweisen haben, auch die Zahl der Ausleihen sehr hoch ist.

Aber was passiert mit Beständen, die keine hohe Nutzungsstatistik aufweisen und zudem auch noch aus schlechtem Material bestehen? Wird dafür Geld ausgegeben? Meist ist es doch so, dass sie verfallen, weil das öffentliche Interesse fehlt. Vor allem Zeitungen oder regionale Bestände, die nur in ein oder zwei Bibliotheken aufbewahrt werden, sind dem Ruin preisgegeben. Ein Beispiel ist das Bayerische Börsen- und Handelsblatt von 1919-1939, das in den Archiven der UB Erlangen ruht, ein anderes sind die frühen Ausgaben der Erlanger Neuesten Nachrichten. Es gibt noch dutzende solcher Beispiele, an denen man sieht, dass es vor allem eine zentrale Frage gibt, die Bibliotheken wohl immer beschäftigen wird: Wie gelingt es, Medien auf lange Zeit zu archivieren? Dass für die Archivierung von zerfallenden Zeitschriften und Büchern zu wenig Geld bzw. Personal vorhanden ist, ist nur ein Aspekt. Der fast noch zentralere Punkt  unserer Zeit ist die Frage nach der Langzeitarchivierung digital wertvoller Daten, ohne sie gleich auf Büttenpapier drucken zu müssen. Eine erste Lösung bietet PLATO, ein online-basiertes Preservation Planning Tool, das im Rahmen der EU-Initiative PLANETS (Preservation and long-term access via networked services) von der Technischen Universität Wien entwickelt wird. Die EU-Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, europäische Nationalbibliotheken, Archive und IT-Firmen zusammenzubringen, um digitale Daten zu sichern.

Und es ist sinnvoll das zu tun, denn jedes Werk ist es wert, archiviert zu werden. Auch wenn ein Buch (vielleicht muss man heute eher Inhalt oder Textdatei sagen!) objektiven Qualitätsansprüchen nicht genügt, dann sind es die bibliographischen Daten, die wertvoll sein können oder es ist einfach der Wert, den es für einen einzelnen Menschen haben kann, und allein diese Möglichkeit sollte bewahrt sein.