Wenn von E-Books die Rede ist, denken viele an gedruckte Bücher, die 1:1 umgesetzt werden. Das ist fantasielos gedacht. In einigen Jahren wird nach reinen EPUB-Umsetzungen oder PDF-Derivaten kein Hahn mehr krähen. Bei Fach- und Bildungsverlagen weiß man längst, dass eine digitale Publikation Vorzüge bieten muss, die das gedruckte Pendant nicht aufweist. Dann haben Kunden meist kein Problem damit, hierfür genauso viel oder mehr zu bezahlen.
Nur: Wenn wir jetzt gegenüber Lesern die Gleichung »E-Book = billig« aufmachen, werden wir ihnen nie wieder etwas anderes vermitteln können – selbst dann nicht, wenn die Entwicklungskosten digitaler Produkte die Herstellungskosten gedruckter Bücher klar übersteigen. Das ist bei vielen E-Publikationen von Fach- und Bildungsverlagen – zumal in den USA – bereits
der Fall. Auch Publikumsverlage müssen sich darauf vorbereiten.
Stellen wir uns vor, das Fernsehen sei gerade erfunden worden und den TV-Machern dazu nur eingefallen: »Wir können Theaterstücke zeigen, ohne Garderoben-Personal bezahlen zu müssen!« Keine Vorstellung von Magazinen, Shows oder TV-Serien. Wie ist es möglich, dass viele E-Medien-Apologeten sich ähnlich kurzsichtig zur Zukunft elektronischer Lesemedien äußern?
Zwei Thesen werden oft in einem Atemzug vorgebracht. Erstens: »Die junge Generation ist das Lesen am Bildschirm gewohnt und wird auch Bücher nur noch so lesen wollen.« Zweitens: »Damit man diese Generation an E-Books heranführt, muss man sie billig machen. Wenn sich das nicht rechnet: Mischkalkulation her.«
Das ist widersprüchlich. Einerseits wird angenommen, die jungen Leute würden sich vom gedruckten Buch Richtung E-Medien abwenden. Andererseits wird ein stabiles Print-Geschäft vorausgesetzt, das die E-Books quersubventionieren könne. Wenn These 1 stimmt (kann ja sein!), müssen Verlage von E-Publikationen genauso leben können wie bisher vom Gedruckten. Und das mit Fixkosten, die viel höher sind als bei Print-Produkten – weshalb der Rohertrag höher liegen muss als bei gedruckter Ware. Was er aber kaum tut, weil selbst die variablen Kosten der E-Medien nicht so stark unter den variablen Print-Kosten liegen wie meist angenommen. Allein die für E-Produkte zusätzlich zu entrichtende Mehrwertsteuer liegt so hoch wie der Preis für Druck und Papier normaler Publikumsbücher.
Es gibt auch keinen Grund für die Annahme, dass der Absatz – unabhängig vom Preis – höher liegen wird als bei gedruckten Texten. Wieder spricht die Erfahrung der Fachverlage dagegen. Schon dort gab es die Diskussion, ob E-Publikationen die zum gleichen Zweck genutzten Print-Veröffentlichungen »kannibalisieren« oder für zusätzlichen Umsatz sorgen. Natürlich kannibalisieren sie. Zwar nicht in jedem Einzelfall, aber aufs Ganze gesehen. Warum sollte das bei textorientierten Publikumsmedien anders sein? Zumindest dann nicht, wenn die E-Medien für das Leseerlebnis kaum anderes bieten als ein klassisches Buch. Dass die aktuell erhältlichen Lesegeräte, deren einziger Vorteil darin besteht, Bücherstapel leichter zu machen, Nichtleser in Roman-Käufer verwandeln sollen, ist absurd.
Keiner weiß, was E-Medien zum Durchbruch verhelfen wird. Wenn der Mehrheitskunde dann gezeigt hat, was er will, müssen wir es ihm geben können. Vorbereitung darauf ist alles. Die Preise an den technisch primitiven E-Books des Jahres 2009 festzumachen, verbaut alles.