Geladen waren Verlagsvertreter von Duden, Bibliographisches Institut und Cornelsen, Vertreter des Vereins Wikimedia Deutschland, BibliothekarInnen der Stadtbibliotheken Nürnberg und Erlangen, (Buch)wissenschaftlerInnen der Universität Erlangen-Nürnberg, Mainz und Regensburg sowie LehrerInnen und – ganz besonders wichtig – SchülerInnen zweier Gymnasien aus Nürnberg und Erlangen. Für sehr unterschiedliche Perspektiven war bei dem Teilnehmerkreis also gesorgt!
Ist Lesen für die Schule (noch) wichtig?
Entsprechend spannend war auch der Meinungsaustausch zu unterschiedlichsten Fragestellungen. Was antwortet wohl ein Schüler auf die Frage, ob Lesen in der bzw. für die Schule noch wichtig ist? Die Gefragten trauten sich mit Kritik nach vorne: In der Schule lesen wir ja kaum noch! Wie man mit Texten wissenschaftlich arbeitet, lernen wir ja gar nicht. Das, was wir lesen, lesen wir, weil wir es lesen müssen, nicht weil es uns Spaß macht. Wir lernen für die Lücke.
Das forderte die Lehrer natürlich heraus: Die Lesekompetenz lässt seit Jahren nach. Komplexe Texte verstehen die Schüler nicht mehr. Auch die Schreib- und Sprachkompetenz leidet. Wir haben auch gar keine Zeit mehr für umfangreiche Lektüre im Unterricht. Es ist unglaublich schwer, Jugendliche für Lektüre zu begeistern, zumal, wenn es sich nicht um die Bis(s)-Reihe handelt.
Welche Lesestoffe und Lesemedien sind für den Deutschunterricht geeignet?
Ja warum – so schleicht sich leise eine Frage ein – wird denn dann die Bis(s)-Reihe nicht gelesen? Warum muss es Faust sein, warum Lessing? Warum nicht aktuelle Texte, die aktuelle Themen behandeln? Weil die Jugendlichen nicht auch noch bei ihrer Lektüre bzw. im Unterricht mit ihren alltäglichen Problemen konfrontiert werden wollen, meinen die Lehrer. Und weil es sich um ein Stück Kulturgut handelt. „Aber auch Lessing und Faust interessiert die meisten nicht“, so der Einwand der Jugendlichen. Und überhaupt: Warum lesen? Sollte in der Schule nicht auch oder besonders der Umgang mit den neuen Medien viel mehr gefordert und gefördert werden, fragen die Wissenschaftler an dieser Stelle. Ist Lesekompetenz Schlüsselkompetenz für Medienkompetenz, oder ist sie lediglich ein Teil der Medienkompetenz? Ist Sprache, und damit Lesen und Schreiben, nicht wie eine Visitenkarte im Werdegang eines Schülers?
Ist Lesen für die Freizeit (noch) wichtig?
Und für die Freizeit? Welchen Stellenwert nimmt dann das Lesen in der Freizeit ein? Von einer Schülerin ist zu erfahren, dass sie in ihrer Freizeit zum Lesen keine Zeit hat, weil sie sich in Vereinen engagiert und sich mit Ihren Freunden und Freundinnen trifft, und mit denen schaut man eher Filme, geht ins Kino oder redet – aber gemeinsames Lesen? Nein, das kommt nicht vor. Auf der anderen Seite gibt es aber auch den Vielleser, der in der Lektüre seine Ruhe findet und ein gutes Buch dem Computer(spiel) vorzieht. Er glaubt aber selber, dass er eher die Ausnahme ist. Doch wird nicht etwas ganz Entscheidendes außer Acht gelassen? Internet, SMS, Computer – wird in all diesen Medien nicht permanent gelesen? Spielt Lesen nicht eine viel größere Rolle als je zuvor? Ja, was eigentlich ist Lesen? Oder kann Kommunikation nicht vielleicht doch auch ohne das geschriebene Wort auskommen, wie der Vertreter von Wikimedia als Hypothese für die Zukunft formuliert.
Wollen wir Google, Wikipedia & Co.?
Und da wir gerade schon dabei sind: Wikipedia und Google im bzw. für den Unterricht?! Hier würden es sich die Schüler zu einfach machen, indem sie für ihre Referate unreflektiert Textbausteine aus dem Internet kopierten, und auch der allseits bekannte Vorwurf, dass Wikipedia keine verlässliche Quelle sei, wird von den Lehrern zu diesem Thema ins Feld geführt. Schüler sind da anderer Meinung. Und der Abgesandte von Wikimedia natürlich auch. Lässt sich hier nicht zurecht die Frage stellen, ob sich die Lehrer selbst zu wenig mit den Möglichkeiten von Wikipedia, Google und Co. beschäftigen und sich damit eher weniger auskennen, die Kritik an der Verwendung also auf Unkenntnis und Vorurteilen beruht?
Haben gedruckte Lehrbücher und Lexika eine Zukunft?
Hat dann das gedruckte Schulbuch überhaupt noch eine Zukunft, wenn sich die Schüler alles im Internet besorgen? Zumindest im Moment kann sich noch niemand in der Runde so ganz vorstellen, dass sie verschwinden werden, schließlich haben alle in ihrer Schulzeit die 10kg schwere Schultasche getragen, in und vor allem mit den Büchern gearbeitet, Markierungen gemacht, Randnotizen und Eselsohren eingefügt. Und außerdem: Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch! Oder vielleicht doch nicht? Ist alles eine Frage der Sozialisation? Und was ist dann Aufgabe der Verlage, wenn es nur noch digitale Bücher gibt? Zumindest die anwesenden Verlagsvertreter fürchten sich nicht vor einer digitalen Revolution, denn in ihren Augen bleibt die Kernaufgabe der Verlage bestehen: das Lektorat, die Redaktion und Satz & Layout werden auch für digitale Bücher unabdingbar sein – seien es nun Schulbücher oder andere.
Wozu noch Bibliotheken und Buchhandlungen?
Damit sind die Verlage auf der sicheren Seite. Aber wozu noch Buchhandlungen und Bibliotheken? Digitale Bücher brauchen keine Regale. Die Antwort der Bibliothekare war eindeutig: Bibliotheken sind mehr als reine Buchaufsteller, sie sind eingebettet in das kulturelle Leben der Gesellschaft. Ihre Aufgaben sind wesentlich vielschichtiger und vielfältiger als die Buchausleihe und Buchbewahrung.
Die Vermittlung von Informationskompetenz beispielsweise, aber auch dem Lesen und dem Buch einen Raum zu geben, und zwar im wörtlichen Sinne: ein Ort der Ruhe und eine Rückzugsmöglichkeit. Gleichzeitig sind sie aber auch ein Ort kultureller Veranstaltungen und Angebote von der Autorenlesung bis hin zum Workshop rund ums Schreiben.
Ändern sich die Leseweisen?
Ob es nun Verleger, Bibliothekare, Wikimedianer, Lehrer, Schüler oder Wissenschaftler sind – die rege Beteiligung an den Diskussionen hat gezeigt, dass der Gesprächsbedarf aller Seiten groß ist und dass die Idee, alle Beteiligten an einem Tisch zu versammeln, eine fruchtbare Idee war, die in Zukunft hoffentlich eine Fortsetzung findet. Denn zwei Tage Diskussionen rund ums Thema „Lesen Jugendliche“ brachten auf obige Fragen zwar zahlreiche Erkenntnisse und Antworten, aber viel mehr noch: neue Fragen!
Das Veranstaltungsteam von „Abenteuer Buch“ bedankt sich ganz herzlich bei allen Teilnehmern und hofft, die spannende Diskussion sowohl durch die geknüpften Kontakte, als auch bei weiteren Diskussionsrunden in der Zukunft fortführen zu können. Darüber hinaus sind natürlich alle LeserInnen dazu eingeladen, die Diskussion auch hier im Netz weiter zu beleben! Haben Sie Antworten auf die zahlreichen Fragen? Oder haben Sie Fragen auf die zahlreichen Antworten? Wir warten auf Ihre Kommentare, hier und unter http://twitter.com/Abenteuer_Buch