Espresso im Buchhandel

17. Dezember 2009
Redaktion Börsenblatt
Man sagt ihr nach, die “Backlist in die gute Stube“ zu holen, und Freunde geben gute Wünsche und 2 Millionen Titel mit auf den Weg, einzelne ihrer Art arbeiten bereits in Amerika und Großbritannien. Doch bedeutet die neue Mitarbeiterin „Espresso Book Machine“ (EBM) für den Buchhandel wirklich nur eine zusätzlichen Einnahmequelle?

Die Vorstellung ist einladend: Als Buchhändler kaufe ich eine EBM und erschließe mir auf einen Schlag ein riesiges Lager neuer Titel. Google stellt seine „digitale Bibliothek“ zur Verfügung, und über Lightning Source, bzw. das EspressNet der die EBM vertreibenden Firma On Demand Books werden aktuelle Titel produzierbar. Der Kunde kann im Internet nach verfügbaren Büchern suchen (zum Beispiel über die Google Book Search), diese direkt bestellen und an „seine“ EBM in der Nähe senden lassen, die Maschine druckt, der Handel verdient.

 

Veränderung für die gesamte Branche

 

Doch die EBM ist mehr, sie bedeutet Veränderung für die gesamte Buchbranche: den vertreibenden Buchhandel in allen Stufen, die Verlage, und mittelfristig sogar für die Rahmenbedingungen, sprich die Buchpreisbindung.

Zusammen mit der wachsenden Attraktivität der EBM durch das sich auf absehbare Zeit noch stärker um aktuelle E-Books erweiternde Angebot, wächst die Unverzichtbarkeit der Maschine. Spätestens, wenn Verlage dazu übergehen, Bücher ab einer gewissen Auflagenhöhe nur noch als E-Book aufzulegen, kommt die moderne, ernsthaft an Konkurrenzfähigkeit interessierte Buchhandlung um die Anschaffung einer EBM nicht mehr herum. Dies bedeutet nicht nur neue Aufgaben für die Mitarbeiter, sondern auch ein Umdenken in der Gestaltung der Verkaufsräume, die sich zu Schauräumen entwickeln werden. Der Vertrieb des „long tail“, der mit Hilfe der neuen Technik zu einem „very, very long tail“ wird, läuft dann ausschließlich über die Maschine – und die Google Book Search hat direkten Zugang zu jeder einzelnen. Als Absatzmittler wird Google damit zur ernstzunehmenden Gefahr für den Zwischenbuchhandel, der sich über seine Anbindung an die neue Technologie Gedanken machen sollte.

Die Verlage werden gezwungen sein, sich in ihrer Angebots- und Preispolitik neu zu orientieren. In Verbindung sind EBM und E-Book-Reader ein zu gewichtiges Argument, um an der ausschließlichen Produktion von Print-Ausgaben festzuhalten. Erwirbt der Kunde ein Hardcover, wird dieser Kauf gleichzeitig eine Lizenz für Lesegeräte beinhalten müssen, das Taschenbuch-Lizenzpaket dagegen wird den Ausdruck auf der EBM erlauben – reine E-Book-Lizenzen haben bei der momentanen Technik nur im Fachbuchbereich Zukunft. Immerhin (und das ist mal eine gute Nachricht) wird man keine Angst vor umfassendem Raubdruck mit gehackten Dateien haben müssen, da sich solcherart in einer Buchhandlung durch Betreuung oder Programmierung verhindern lassen wird.

 

Das Ende der Buchpreisbindung

 

Anschließend fällt die Buchpreisbindung, zumindest im Paperback. Ihr gehen die Argumente aus, hat sich die EBM erstmal durchgesetzt: Der Versand von Büchern ins ganze Land zum nächsten Tag wird überflüssig, und der Unterstützung kleiner, unabhängiger Verlage wird durch das gesicherte Angebot in jeder Buchhandlung Genüge getan. In Folge dessen wird sich der Markt umgestalten. Die „Macht der Großen“ zeigt sich dann nicht mehr nur in Verhandlungsmacht gegenüber Verlagen, sondern erreicht durch niedrige Preise den Endkunden. Kleinere Buchhandlungen werden dem Preisdruck der Großen nur durch Verträge mit Verlagen etwas entgegensetzen können, so dass schließlich die Verlagssignets von Diogenes, Suhrkamp oder Fischer die Kunden ins Geschäft locken; der Verlagsbuchhandel entwickelt sich neu.

Selbstverständlich hängt die Entwicklung auch von weiteren Verbesserungen an der EBM ab, was Papier, Format, und Farbe, aber auch den Preis des Geräts angeht. Zudem braucht es eine ansprechende Konsole zum Stöbern im digitalen Lager, sowie sehr geschulte Mitarbeiter, die sich im gegenwärtigen Buchmarkt ebenso auskennen, wie in allen gewesenen. Persönlich freue ich mich schon auf die aufkommenden „Epochen-Wochen“, in denen Buchhandlungen Werbung für zwar alte, aber noch gute Literatur machen – das Material ist schließlich da, nur verkauft werden muss es.

Werden die neuzeitlichen Buchpressen endlich erschwinglich, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.