Interview mit Claudia und David Arp

Den Kindern den Rücken stärken

19. Mai 2011
von Börsenblatt
Die Zeit der Pubertät wird rasch zum Nervenkrieg zwischen Kindern und Eltern. Im Interview erläutern die in Familienberater und Autoren Claudia und David Arp, warum es kracht und wie man damit am besten umgeht.

Wie verändert sich die Beziehung zwischen Eltern und Kindern in der Pubertät?
Claudia Arp: Eine gute Beziehung zu einem Pubertierenden aufrechtzuerhalten, das kann ganz schön stachelig werden. Teenager sind in der Tat manchmal wie ein Kaktus - und tun alles, um es Eltern möglichst schwer zu machen. Aber hinter der stacheligen Fassade warten sie doch darauf, dass Eltern ihnen die Botschaft senden: Ich stehe zu dir.
David Arp:
Natürlich muss sich die Beziehung zwischen Eltern und Kindern in dieser Zeit wandeln. Aus einer Autoritätsbeziehung, in der Eltern für das kleine Kind Entscheidungen treffen, die es noch nicht selbst treffen kann, muss sich die Eltern-Kind-Beziehung in den Teenagerjahren immer mehr in Richtung hin zu "gleicher Augenhöhe" entwickeln. Wir haben deshalb in unserem Buch altersbezogene Vorschläge gemacht, in welchen Stufen und konkreten Schritten das geschehen kann, wie Teenager angemessen mehr und mehr Eigenverantwortung übernehmen.

Jugendliche zeigen während der Pubertät meist stärkere Gefühle als früher. Kracht es deshalb häufiger – oder warum gehen viele Erwachsene rasch an die Decke?
David Arp: Pubertierende zapfen beständig den Energiehaushalt ihrer Eltern an. Wenn die ersten größeren Konflikte auftauchen, können Eltern leicht das Gefühl bekommen, sie hätten in ihrer Erziehung völlig versagt. Frust und Unzulänglichkeitsgefühle sind eine normale Reaktion, wenn Kinder ihre Eltern als Testobjekt benutzen, um sich neue Freiräume zu erkämpfen. Oder als Blitzableiter, wenn sie sich selbst nicht verstehen oder nicht leiden können.
Claudia Arp: Und natürlich spüren auch die Eltern, dass sie nicht mehr fraglos am "längeren Hebel" sitzen - jedenfalls, wenn sie es ernstnehmen damit, mit ihren Teenagern mehr und mehr auf Augenhöhe zu kommunizieren und sie als selbstverantwortliches Gegenüber ernstnehmen.

Was kann in solchen Situationen helfen?
Claudia Arp: S
ich bewusst zu machen, dass Jugendliche auch erst mal lernen müssen, mit starken Gefühlen angemessen umzugehen. Wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können, verraten wir in unserem Buch:  Für Eltern ist es wichtig, sich klar zu machen, welche Kämpfe sie unbedingt kämpfen wollen - und welche auch nicht. Denn sie können nicht jede Schlacht gewinnen. Nicht jede Meinungsverschiedenheit ist einen Riesenstreit wert. Man kann sich auch entscheiden, manches zu ignorieren oder zu ertragen. Auch die Pubertät geht mal vorüber. Aber in wichtigen Fragen - und Eltern müssen wissen, was für sie diese wichtigen Dinge sind - müssen Konflikte ausgetragen werden.  

Das braucht  viel Kraft ...
David Arp: Ja, und deshalb ist es ganz wichtig: Schaffen Sie sich "Kaktusfreie Zonen". Stärken Sie Ihre Paarbeziehung. Und unterstützen Sie sich gegenseitig in der herausfordernden Aufgabe, Jugendlichen in ihrer Suche nach sich selbst ein verlässliches Gegenüber zu sein.

Soll man sich während der Pubertät von den bisherigen (erfolgreichen) Erziehungskonzepten verabschieden?
Claudia Arp: Warum sollte man sich von etwas verabschieden, das erfolgreich ist? Uns scheint entscheidend zu sein, dass Eltern die Persönlichkeit ihres Kindes gut kennen, sein Potenzial, aber auch seine Grenzen. Das beginnt ja nicht erst in der Pubertät. Und dann ihr Kind bestmöglich fördern und auch fordern. Dabei gibt es kein Rezept, das für alle Kinder gleich ist. Unser "Teen Prep"-Projekt etwa macht deutlich, dass das Hineinwachsen in Eigenverantwortung für jeden Jugendlichen maßgeschneidert werden muss. Zwischen den Extremen drillen und chillen gibt es da eine große Bandbreite realistischer  Möglichkeiten.

Welche "Patentlösung" verhindert Ihren Erfahrungen nach ein Abrutschen der Jugendlichen auf die schiefe Bahn?
David Arp: Das Beste, was Eltern tun können, ist in die Beziehung zu ihrem Teenager zu investieren. Und dann: Leben Sie das, was Sie sich für Ihre Kinder wünschen. Jemand hat es einmal so formuliert: "Seien Sie die Art von Persönlichkeit, zu der Ihre Kinder sich entwickeln sollen. Und dann verbringen Sie genug Zeit mit ihnen, damit das abfärbt."
Claudia Arp: Eltern können eine Menge tun, um Beziehungshindernisse aus dem Weg zu räumen. Vor allem lassen Sie Ihre Kinder spüren, dass Sie ihnen den Rücken stärken. Die Umwelt ist entmutigend genug, da müssen die Eltern es nicht auch noch sein. Reden Sie mit Ihren Jugendlichen über Ihre Werte, darüber, was Sie zu Ihren Handlungen motiviert, was Ihnen wichtig ist. Geben Sie Jugendlichen die Gelegenheit, eigene Werte bewusst zu wählen, und unterstützen Sie sie darin, konsequent danach zu leben.  

Claudia und David Arp: "Und plötzlich sind sie 13" (Brunnen)
Mehr zum Thema "Pubertät" im aktuellen Börsenblatt Heft 20 - S. 29 medien.