Meinung: Buchwerbung wie in der Irrenanstalt

Schwachsinn, gedruckt

1. September 2011
Redaktion Börsenblatt
Unsinnige Zitate gehören nicht in die Werbung für einen Roman, meint Buchhändler Ulrich Dombrowsky – es geht auch anders.

»Rauchen ist ungefährlich! gez. Dr. Marlboro.« Dieser dämliche Spruch aus den 80er Jahren fällt mir immer ein, wenn ich einen überzogenen Werbetext für ein Buch lese. Okay, man muss das Buch ja nicht kaufen. Andererseits wünschen sich sowohl Leser als auch Buchverkäufer einen schlüssigen und sinnhaltigen Werbetext – man will ja schließlich keine Mogelpackung (ver-)kaufen.

Geradezu entsetzt aber war ich dieser Tage über folgenden Text, den eine Verlagsgruppe in ihrer Werbung als Zitat einer großen kanadischen Zeitung angefügt hat: »Wenn man ein Kind dazu bringen will, einen zu lieben, dann sollte man sich einfach mehrere Stunden im Schrank verstecken. Das Kind wird auf die Knie gehen und beten, dass man zurückkehrt. Es wird einen zum Gott erklären. Einsame Kinder haben vermutlich die Bibel geschrieben.«

Wie bitte? Man gewinnt die Liebe eines Kindes, indem man sich ihm entzieht? Welche fahrlässige Sicht auf die Dinge! Das Kind wird keineswegs »auf die Knie gehen«, sondern schon eher »in die Knie gehen«. Ist es das, was wir wollen? »Es wird einen zum Gott erklären«, erfahren wir weiter. Aha, daher weht also der Wind: Allmachtsfantasien des Erwachsenen. Wo so etwas endet, wissen wir ja.

Im Schlusssatz wird es dann ganz dreist: »Einsame Kinder haben vermutlich die Bibel geschrieben.« Oh nein, das haben sie nicht. Eher waren sie damit beschäftigt, ohne Liebe und Zuwendung zu überleben und haben gegen die innere Stimme gekämpft, die ihnen empfohlen hat, mit dieser Art von Erwachsenen auf brutale, aber »nachhaltige« Art Schluss zu machen.

Vielleicht reagiere ich deswegen so ungehalten auf diesen unreflektierten Schwachsinn, weil ich endlich den großartigen Film »Das weiße Band« von Michael Haneke gesehen habe. Vor diesem Regisseur, vor diesen Schauspielern, vor diesem Kameramann gehe ich auf die Knie. Haneke zeigt auf eindrückliche Weise, wie gerade mit den oben genannten Mitteln Erziehung schiefgeht und menschliche Beziehungen misslingen, wenn sie nicht gar Mord- und Totschlag zur Folge haben.

Wie wohltuend, aufregend und mitreißend ist da doch die Kampagne um den Debütroman »Plan D« von Simon Urban im Schöffling Verlag. Sie hat mit einem informativen und empathischen Brief der Schöffling-Autorin Juli Zeh an die Sortimenter und die Presse begonnen. Die anfangs relativ einfache Website simonurban.de ist zu einer vieldimensionalen Begleitveranstaltung zu dem inzwischen sehr erfolgreichen Buch geworden. Sie nimmt auf witzige Art und Weise die Themen und Stimmungen des Romans auf, in dem Urban über eine deutsche Gegenwart schreibt, zu der die DDR noch dazugehört und die Westler diejenigen sind, die Ausreiseanträge in die DDR stellen. Zugegeben: nicht jeder Autor bringt das Know-how eines Simon Urban mit, der im »wirklichen Leben« für die große deutsche Werbeagentur Jung von Matt arbeitet.
Aber das ist jene Art von Werbung, die ich mir nicht nur als Sortimenter, sondern auch als Kunde wünsche. Die Zeiten, in denen Verlage dem Buchhandel höchstens Plakate anbieten, auf denen gerade mal das Buchcover und ein Autorenfoto abgebildet sind, sollten wirklich der Vergangenheit angehören.