Läuft man durch den engen, schummrigen und nur mit Teelichtern beleuchteten Gang, der in den Hinterhof der Berliner Mommsenstraße 11 führt, stellt sich unmittelbar dieses bestimmte Gefühl ein, das einen ereilt, wird man in ein Geheimnis eingeweiht. Und eigentlich ist es fast so auf dem diesjährigen Sommerfest der Literaturagentur Graf und Graf. Es ist eine geschlossene Veranstaltung für einige Auserwählte. Und zu erfahren gibt es Neues: drei Titel werden unter dem Motto "Drei Damen mit Stil" von ihren Autorinnen vorgestellt. Sie alle sind Teil des diesjährigen Agenturprogramms. Ihre Geschichten stehen kurz vor ihrer Veröffentlichung bei Suhrkamp, Hoffmann und Campe und Rowohl Berlin.
Über Jahre waren die "Drei Damen mit Stil" eine Veranstaltung auf dem ehemaligen Berliner Bücherfest. Drei Autorinnen lasen aus ihren Büchern und anschließend gab es den obligatorischen Empfang in der Charlottenburger Altbauwohnung, dem Sitz der Agentur Graf und Graf seit ihrer Gründung vor 15 Jahren. In diesem Jahr sollten die drei Damen durch drei junge Schriftstellerinnen mit Stil zu neuem Leben erweckt werden: Katerina Poladjan, Mely Kiyak, Judith Schalansky. Und so lud die Charlottenburger Literaturagentur zum Sommerfest in ihre Hallen ein.
Wegen Karin Graf sind zumindest einige der Literaturjournalisten da. Ein Pflichttermin für die Etablierten des literarischen Betrieb Berlins? Nicht ganz. Eingeladen hat dieses Mal Julia Eichhorn, 30-jährige Agentin bei Graf und Graf. Und als Einladende ging es ihr bei dieser Neuauflage des Sommerfestes eben nicht um die üblichen Verdächtigen, die sich sonst immer treffen, sondern – passend zu den Vorleserinnen – dann auch um die junge Generation der Szene. Ihr Plan: Autoren, Lektoren und Literaturkritiker in einem kleinen Get-together zusammenbringen, damit diese sich vernetzen können. Zur Abwechslung mal in der wirklichen Welt und nicht virtuell auf Facebook, wie Karin Graf dann zur Begrüßung erklärt.
Dicht gedrängt sitzen die drei in Berlin lebenden Autorinnen auf der kleinen beigen Ledercouch. Die Altbauwohnung mit Stuck an der Decke, Parkett auf dem Boden und mächtigen Bücherregalen überrascht wenig. Gediegenes Ambiente, in dem sich ein literarischer Geist willkommen fühlen muss. Jede hat 15 Minuten, um aus dem eigenen Werk zu lesen. Und jede hat dem Motto des Abends entsprechend auch Stil und zwar einen ganz eigenen. Katerina Poladjan ist die erste mit ihrer Erzählung "In einer Nacht woanders". Von der zu engen Couch geht es zum Sessel mit Leselampe. Der Lesetisch will nicht so recht passen, so schiebt sie ihn schließlich zur Seite, findet in der bequemem die beste Vorleseposition und beginnt. Der Vortrag der kühlen Blonden, ernst und bestimmt. Die Erzählerstimme nimmt uns mit nach Russland zu einer Großmutter und einem Haus.
Mely Kiyak offenbart dann mit "Ein Garten liegt verschwiegen" die Gartenwelt eines Nonnenklosters in Fulda und stellt das vielleicht lustigste Buch des Abends vor, und Judith Schalansky lädt mit "Der Hals der Giraffe" in das Klassenzimmer und die menschlichen Abgründe der Biologielehrerin Inge Lohmark ein.
Der Lesungsteil ist kurzweilig und ansprechend, denn alle drei Autorinnen sind gute Vorleserinnen und ihre Geschichten vielversprechend. Und auch das sich anschließende Fest passt zum Gesamtkonzept des Abends. Wie auf einer WG-Party stehen die Gäste in der geräumigen Küche – weil es sich da, wo es Getränke und Essen gibt, einfach besonders nett unterhalten lässt. Unter den Eingeladenen finden sich zum Beispiel die jungen Kreativen der Hildesheimer Universität, Macher der Literaturzeitschrift "Bella Triste" und Organisatoren des dort ansässigen Literaturfestivals "Prosa Nova", die mit ihren Anfang 20 fast die Jüngsten und eben genau die Zielgruppe des Abends sind. Unter den Gästen sind aber auch bereits im Betrieb Etablierte, wie FAZ-Redakteurin Melanie Mühl, an deren Sachbuch zur Patchworklüge sich derzeit die Geister scheiden oder die Autoren David Wagner und Alexander Schimmelbusch. Der Smalltalk führte über Literatur und Neuigkeiten aus der Branche unbemerkt und flink auch zu einem Gespräch über die Berliner Kitas und Bioläden werden.
Karola Kallweit