Noch vor der Buchmesse soll die Tigerbooks App als Gratisdownload für Endkunden live sein. Dem Münchner Fachpublikum – hauptsächlich Journalisten und Verleger – wurde Tigerbooks vorab präsentiert.
Die Entwicklung von Tigerbooks ist rasant: Thomas Garanin, Geschäftsführer von Tigerfish Media, hatte zur Buchmesse 2010 den ersten Prototypen von Tigerbooks für das i-Pad entwickelt. Die finanzielle Vorleistung war groß und ohne Partner drohte das Projekt zu scheitern. Oetinger beteiligte sich bereits Anfang 2011 gleichsam als Business-Angel an dem Projekt. „Die Kinderbücher App Tigerbooks ist eine auf Kinder- und Jugendliche ausgerichtete personalisierte Oberfläche, eine neue Vertriebsplattform“, erklärt Thomas Garanin.
Seine Online-Buchhandlung für digitale Kinderbücher auf mobilen Endgeräten ist bislang konkurrenzlos und einzigartig. Farbenfroh und interaktiv kann man in dieser Buchhandlung stöbern, bekommt Audiovorschauen und Leseproben oder kann sich auch Texte vorlesen lassen. Zum Release werden rund 30 Titel bereitstehen, etwa die Hälfte davon animiert. „Wir befinden uns in intensiven Gesprächen mit verschiedenen Verlagen um die Titelanzahl schnell zu erhöhen“, so Garanin. Oetinger und Tessloff machen bisher bei Tigerbooks mit. Großes Interesse sollen auch die Verlage Tulipan, Nord Süd, Ravensburger und Bastei Lübbe bekundet haben. „Einige Absagen gibt es auch schon“, so Garanin, der aber optimistisch ist, denn es handle sich um das klassische Henne-Ei-Problem: „Der Erfolg hängt davon ab, wie viele dabei sind.“
Tigerbooks ist nicht nur eine kindgerecht personalisierte Online-Buchhandlung, sondern auch eine Zusammenstellung von Tools, die es ermöglicht, Bücher mit einem hohen Grad an Animation und Interaktion ohne Programmierung zu erstellen. „Unsere Vision ist es, digitale Kinderbücher auf Augenhöhe vorzustellen und unkompliziert und effizient zu produzieren“, so Garanin. Tigerfish Media stellt die Plattform bereit und die Tools zu Verfügung, im Gegenzug stellen die Verlage die mit den Tigerfish-Tools erstellten Bücher bei Tigerbooks ein. Das Geschäftsmodell sieht also bezahlpflichtige Inhalte vor – die digitalisierten Kinderbücher –, die über die jeweiligen Paymentsysteme der Plattformanbieter (Apple, Android) abgerechnet werden. Tigerfish Media vereinnahmt die Bezahlungen und schüttet einen vereinbarten Revenue Share an die Verlage aus.
Der Abschluss der ersten Version Tigerbooks 1.0 bedeutet bereits den Beginn der Arbeiten an der nächsten Ausbaustufe von Tigerbooks. Lesezeichen, Inhaltsverzeichnis, zusätzliche Interaktions- und Animationsmöglichkeiten in den Büchern, Optimierung der Blätteranimation, Sound- und Animationskonzept für die Oberfläche sowie der Ausbau der Funktionen der bestehenden „add-on“-Spiele sind bereits in Arbeit. In etwa vier bis sechs Wochen werden diese Neuerungen umgesetzt sein. „Wir setzten uns mehrere Ziele“, so Garanin, „denn Tigerbooks soll keine schicke Verkaufshsülle sein, sondern sich zu einem Treffpunkt der Kids auf dem iPad entwickeln“. Garanin denkt an nutzerspezifische redaktionelle Empfehlungen, u.a. auch als Audio Output. In einer persönlichen „Inbox“ für jeden Nutzer sollen Bücher weiterempfohlen werden. Buddylisten, Kommunikation mit Freunden, Messaging und weitere Social Media Funktionen speziell für Kinder sollen auf Tigerbooks optimiert werden. Auch an Themenwelten ist gedacht, die den teilnehmenden Verlagen die Möglichkeit geben sollen, starke Charaktere explizit in einem verkaufsfördernden Rahmen zu präsentieren. Auch ein eigener Kunden Account wird angestrebt, denn bisher kennt nur Apple die Käufer. „Wir berücksichtigen auch weitere Plattformen, iPhone 4 und 5 und Android Tablets, insbesondere das angekündigte Amazon Tablet. Sobald es da ist, soll Tigerbooks auch für Android verfügbar sein“, so Garanin.
Ulrike Karg, Fachreferentin der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) erläuterte im Rahmen der Tigerbooks-Präsentation die Frage nach der Medienaffinität von Kindern aufgrund der KIM-Studie 2010. Sie machte gleich zu Beginn klar, dass Hausaufgaben, Fernsehen, Freunde treffen oder draußen und drinnen spielen nach wie vor die Freizeitaktivitäten der Kinder zwischen sechs und 13 dominieren. Die Bedeutung von Computer und Internet steigt jedoch mit zunehmendem Alter der Kinder stark an und prognostiziert wird auch ein immer früherer Kontakt immer jüngerer Kinder mit Tablets. Wer bei Youtube die Stichworte „Baby“ und „iPad“ eingibt, findet schon heute viele erstaunliche Beispiele für den souveränen Umgang von (Klein-) Kindern mit dem iPad. Ulrike Karg betont, dass die Mediensozialisation nach wie vor über die Eltern stattfindet: „Leseschwäche von Jungen könnte durch die Affinität für Computer überwunden werden“, sagt Karg und ist zuversichtlich, dass sich Kinderbücher auf Tablets rasant entwickeln werden. Das Hauptproblem beim normalen PC - die Tastatur – entfällt beim Tablet, wodurch der frühe Kontakt einfacher wird. „Zehn Prozent der Haushalte in Deutschland mit sechs- bis 13-jährigen Kindern besitzen bereits heute einen Tablet-PC“, sagt Karg und rechnet mit exponentiellem Wachstum. Dem stimmt Benjamin Broll zu. Der Geschäftsführer bei Next München freut sich über 13,6 Millionen Tablets, die weltweit im zweiten Quartal 2011 verkauft wurden und verweist auf die PBS Studie aus den USA, wonach 70% der Eltern ihren Kindern den Umgang mit dem iPad erlauben. Im Durchschnitt befinden sich acht Apps für Kinder auf dem iPad der Eltern. Mehr als 40 Prozent der Kinder spielen mindestens einmal pro Tag mit dem iPad und 90% der Eltern legen Wert auf „educational value“ bei der Auswahl von Apps. Broll schätzt Tigerbooks als vereinfachter Eintritt in den Markt ein, denn die Basis ist ein ePub, erweiterte Animationen und Interaktionen werden in Flash umgesetzt. „Jeder Producer mit Flash-Kenntnissen kann nach entsprechender Schulung Animationen und Interaktionen für Tigerbooks erstellen. Das enhanced ePub Tigerbook als Ausgangsformat kann in allen Vertriebskanälen eingesetzt werden“, so Broll über die Vorzüge des Formats.
Till Weitendorf, Geschäftsführer bei Oetinger, glaubt, dass sich die Evolution der E-Books etwa auf dem Stand der Dampfmaschine befindet. Er begründet sein Engagement bei Tigerbooks mit der hohen Zielgruppenaffinität des neuen Vertriebskanals. „Das iPad dürfen Kinder alleine verwenden, daher werden Stores dort funktionieren. Kinderstores am PC haben nicht funktioniert“, fasst Weitendorf zusammen und sieht deshalb speziell im Kinderbuch eine sensationelle Nische für einen kindgerechten Shop, liebenswert, von hoher Qualität und anders als bei iTunes oder iBooks von den Verlagen selbst mit aufgebaut mit vielen Orientierungshilfen.