"Die Tatsache, dass illustrierte Kinderbücher im Vergleich zu reinen Textausgaben der Entwicklung hinterherhinken, ist lediglich ein Problem der Technologie und des Vertriebs. Sobald farbige Lesegeräte ausreichend flexibel, kostengünstig und stabil sind, um als perfektes Geschenk für Kinder und für die Wissensvermittlung an Schulen und in Bibliotheken geeignet zu sein, wird sich dieses Verhältnis mit Sicherheit ändern.
Einige bezeichnen E-Books als Spielwiese für Verlage – mit ihnen zu experimentieren, sei kostengünstig und mache Spaß. Doch sobald Farbe und Interaktion dazukommen, kann von Spielwiese keine Rede mehr sein: Stattdessen haben wir den superteuren Ausflug in den Erlebnispark gebucht. Diese zusätzliche Investition ist ein bedeutsamer Faktor auf dem Kinderbuchmarkt. Andererseits kann man im Erlebnispark richtig Spaß haben; bei National Geographic haben wir uns den anderen angeschlossen und amüsieren uns ungemein.
Es gibt dort draußen viele clevere unternehmerische Erfinderinnen und Erfinder, die vielfältige digitale Kinderbücher entwickeln – von reinen Text-ePUBs über fixe Layouts bis hin zu interaktiven Büchern, die in Spiele übergehen. Die superinteraktiven Bücher können bisher nur mit einem einzigen Gerät gelesen werden – mit dem iPad, das mit 500 Euro zu Buche schlägt. Barnes & Noble experimentiert mit einer etwas abgespeckten Interaktivität und einem fixen Format für den Nook Color-Reader, der Bildschirm ist jedoch fürchterlich klein. Und dann sprießen noch die Android-Tablets wie Pilze aus dem Boden. Wer weiß, wie digitale Kinderbücher in fünf Jahren aussehen werden?
In diesem Fall ist Unwissenheit allerdings wirklich von Vorteil. Wir können den Markt beobachten und unsere Erkenntnisse für unsere Erfindungen nutzen. Viel Erfindungsreichtum wird derzeit im Bereich der Geschäftsmodelle aufgebracht, der natürlich die Zukunft der Verlagsindustrie bestimmt. Es wird jedoch viel weniger darüber diskutiert, wie sich das Buch selbst - und damit das Leseerlebnis - dem Publikum nach diesem Umbruch präsentieren wird.
In Gesprächen mit Eltern und Großeltern, Bibliothekaren und Lehrerinnen nehme ich immer noch eine starke nostalgische Bindung an das gedruckte Buch wahr, und Studien unterstützen diese flüchtige Feststellung. Viele junge Eltern sind jedoch technologisch auf der Höhe der Zeit und ihre Nostalgie für gedruckte Bücher geht Hand in Hand mit einem Interesse an E-Books. Und es wird selbst für Technologiemuffel schwierig werden, den Verlockungen der Kostenersparnis und der Bequemlichkeit zu widerstehen, wenn sie erst vor der Tür stehen. Das ist es, was Erwachsene für Kinder wollen:
1. Bücher als Geschenke. Sie sollen mit Geschenkpapier verpackbar sein.
2. Bücher als Souvenirs. Sie sollen beschreibbar sein.
3. Bücher als Unterhaltung und Inspiration. Sie sollen tragbar sein.
4. Bücher als Bindung. Sie sollen bequem auf den Schoß passen.
5. Bücher als Informationsvermittlung. Sie müssen leicht zugänglich sein.
6. Bücher für die Schule. Sie müssen leicht zu tragen sein, damit wir unsere Zehnjährigen nicht zum Chiropraktiker schleppen müssen.
7. Bücher als Themen sozialer Interaktion. Sie sollten einfach gemeinsam zu nutzen und zu diskutieren sein.
8. Bücher als sichere, sorgenfreie, gesunde Beschäftigung für Kinder. Sie müssen vertrauenswürdig sein.
9. Bücher als Produkt. Sie müssen praktisch sein und zum Entdecken und Herumstöbern einladen.
Wie sieht es nun bei der Zukunft der Kinderbücher aus? Wie müssen Geräte und E-Books beschaffen sein?
Geräte
· Große Bildschirme. Vielleicht faltbare Bildschirme mit einem Scharnier, sodass sie sicher verschließbar und auf die doppelte Tragegröße aufklappbar sind. Ihr Gewicht sollte jedoch gering bleiben.
· Standardisierte Bildschirmgrößen und Dateiformate. Dann können wir E-Books produzieren, die auf allen Geräten lesbar sind.
· Spaßige Umschläge. Flauschig niedlich, wild, hip – was immer Ihr Kind braucht oder begehrt.
· Robust. Sie können das Ding fallen lassen – sogar in die Badewanne – und es funktioniert danach immer noch prächtig.
· Vernetzt. 4G? Universal WiFi? Was immer es ist, es sollte frei verfügbar sein und auch auf dem Autorücksitz funktionieren. Vernetzung ermöglicht es den Kindern, ihren Lesestoff zu teilen und sogar zusammen eigene Bücher zu schreiben.
· Konfigurierbar. Wollen Sie Bücher kaufen, Ihr Kind sollte das aber nicht können? Wollen Sie dem Kind ein bestimmtes Kontingent an Büchern zukommen lassen? Ihre Entscheidung!
· Sicher. Erwachsene können für alle Nutzer(innen) separat einstellen, was heruntergeladen, kommuniziert, geteilt und verschenkt wird.
· Schulgeräte. Jedes Kind erhält eins. Lehrer(innen) können per WLAN Lehrbücher und Lesestoff darauf aufspielen. Das Lesepensum der Kinder wird gespeichert. Kinder können damit in Gruppen arbeiten. Vielleicht können sie sogar ihre Hausaufgaben damit lösen und Prüfungen absolvieren. Das Gerät unterhält sich mit der interaktiven Wandtafel.
· Sehr lange Batterielebensdauer. Um zu verhindern, dass Kinder heulen, weil das Gerät mitten im spannendsten Abenteuer seinen Geist aufgibt.
E-Books
· Viele, viele gute Bücher aller Art mit allen möglichen Interaktivitätsformen.
· Gedruckte Ausgaben zum Blättern in Läden und Bibliotheken, mit der Möglichkeit zum Kauf oder zur Ausleihe per Knopfdruck vor Ort.
· Keine Seitenbeschränkung. Das 32-seitige Bilderbuch war gestern. Lang lebe das Bilderbuch beliebiger Länge.
· Längere Bücher kapitelweise verfügbar.
· Sofortiges Herunterladen.
· Möglichkeit zum Verschenken und Teilen. Oma kann ein E-Book auf das Gerät des Enkelkinds schicken. Kinder können einander E-Books schicken.
· Niedrigere Preise. Wir wünschten, es wäre nicht so, aber der Markt schreit ganz deutlich danach.
Gedruckte Bücher
· Kleinauflagen sind top. So werden Buchläden und Bibliotheken mit Leseexemplaren und Autor(inn)en mit Ausgaben zum Signieren versorgt. Das i-Tüpfelchen: Die digitale Drucktechnologie benötigt keine faltbaren Druckbogen mehr. Jede Seitenzahl ist möglich.
· Print-on-Demand ist ebenfalls top. Für Geschenke, Souvenirs und Erinnerungsstücke und all jene, die einfach den Papiergeruch mögen. Bis dahin werden POD-Produkte so schön sein wie die üblichen gebundenen Buch- und Taschenbuchausgaben.
· Neuheiten. Wenn Bücher nur gedruckt funktionieren, bleiben sie auf Papier.
· Höhere Preise. Wenn Sie es als Vertriebsmittel einsetzen oder als Geschenk kaufen, können Sie ein paar Kröten mehr verkraften.
Gefällt Ihnen diese Vorstellung? Weniger Versand-, Lagerungs- und Vorlaufkosten für die Verlage. Buchläden können überleben. Bibliotheken können überleben. Druckereien stellen auf Kleinauflagen und Neuheiten um. Kinder lesen. Sie können mit Ihrem Kind ein gutes Buch vor dem Einschlafen lesen, acht Bibliotheksbücher in einer Hand nach Hause tragen, Ihr Kind zu einer Lesung mitnehmen, stolz zusehen, wie Ihr Kind mit einem anderen Kind in der gleichen Stadt oder auf der anderen Seite der Welt ein Buch erörtert, und das nächste Buch des Lieblingsautors oder der Lieblingsautorin in Weihnachtspapier einwickeln, mit einer Schleife drumherum. Den Kindern macht es Spaß, im Auto oder beim Zahnarzt im Wartezimmer zu lesen. Und: Keine überdimensionierten Schulranzen mehr!"
Die Konferenz "Children’s Publishing Goes Digital: New Markets, Players, and Platforms" will zeigen, wie sich der Kinderbuchmarkt in den kommenden Jahren entwickeln wird und wie Verleger mit dem Zusammenwachsen von Inhalt, Spielen, Animation und Interaktion umgehen können. Sie ist Teil der Konferenzreihe Publishers Launch und wird in Zusammenarbeit mit Lorraine Shanley von Market Partners International ausgerichtet.
Children’s Publishing Goes Digital: New Markets, Players, and Platforms
11. Oktober 2011
9:00-13:00 Uhr
Frankfurter Buchmesse
Halle 4.2
Raum Dimension