Kindle Fire

Amazons Kampfansage – auch ein Befreiungsschlag

29. September 2011
Redaktion Börsenblatt
Amazon-Chef Jeff Bezos stellte gestern in New York nicht nur sein lange erwartetes Tablet "Kindle Fire" vor, sondern auch die nächste Generation seiner E-Ink-Reader – mit drei neuen Modellen. Der Online-Händler will mit seiner Offensive die Konkurrenten zurückdrängen, die ihm in den vergangenen eineinhalb Jahren Marktanteile abgenommen haben – allen voran Apple mit dem iPad und Barnes & Noble mit dem Nook.

Amazon greift die Wettbewerber in den USA nun von mehreren Seiten an – zunächst mit der Produktpalette:

  • Ab sofort wird es in den USA eine ganze Kindle-Familie geben: das bis auf Weiteres nur in den USA erhältliche Tablet Kindle Fire mit WLAN und einem von Amazon selbstentwickelten cloud-basierten Webbrowser ("Silk") für 199 Dollar (rund 146 Euro); den Kindle (mit WLAN) für 79 Dollar; den neuen Kindle Touch (WLAN) für 99 Dollar und den neuen Kindle Touch 3G mit Internetverbindung für 149 Dollar. Amazon hat damit beide Geräteklassen – E-Ink-Reader und Tablet – im Angebot, und dies mit unterschiedlichsten Ausstattungsmerkmalen.
  • Das zweite Argument für die neuen Geräte liefert Amazon mit dem Preis: Mit 199 Dollar (rund 146 Euro) ist der Kindle Fire konkurrenzlos billig. Das günstigste iPad von Apple kostet hingegen 499 Dollar. Hier könnte Amazon also im unteren Preissegment punkten, wird aber vermutlich kaum im iPad-Revier wildern: Denn Apples Kultgerät wird trotz seines hohen Preises gekauft, weil es ein Statusträger ist und zudem auf der technischen Ebene mehr bietet als der Kindle Fire.
  • Gefährlicher hingegen könnte es für Barnes & Noble und seine Geräte Nook und Nook Color werden. In beiden Fällen ist es wahrscheinlich, dass Kunden sich von Amazons Preisargument beeindrucken lassen. Die Tatsache, dass Amazon seine E-Books nach wie vor in einem proprietären Format herausbringt, empfinden die meisten Kunden nicht unbedingt als Hindernis, zumal Amazon Kindle-Apps für die meisten wichtigen Plattformen bietet.
  • Mit dem eigenen Format gelingt es Amazon allerdings, seine E-Book-Kunden im eigenen Universum zu halten. Aber, so das Kalkül, es fehlt Ihnen ja dort fast nichts, was sie für den Medienkonsum und für den täglichen Bedarf brauchen. Neben Amazon gibt es dann allenfalls noch Google für die Internetrecherche und Facebook für das soziale Netzwerk (und Apples iTunes wollen die Kunden wahrscheinlich ebenfalls nicht missen, bis auf weiteres).

Amazons Marktanteil bei E-Books ist von ehemals 90 Prozent auf rund 60 Prozent gesunken, Barnes & Noble (ca. 25 Prozent), Apple (rund 10 Prozent), und in geringerem Umfang Kobo und Google, haben ihm Prozente abgejagt. Ob Jeff Bezos’ Rechnung aufgeht und die Markttorte in einem Jahr wieder anders aufgeteilt wird, wird man sehen.

Die massenhafte Verbreitung günstiger Lesegeräte wird die Dynamik des E-Book-Verkaufs jedenfalls deutlich beschleunigen, auch in Deutschland, wo Amazon nach eigenen Angaben jetzt den Kindle der jüngsten Generation für 99 Euro anbietet. Und, wie aus verschiedenen Unternehmen der Branche zu hören ist: Es wird zum Weihnachtsgeschäft eine Reihe von Preisoffensiven bei E-Book-Readern geben. Dann wird sich auch hierzulande beim Bestellverhalten der Buchhandelskunden einiges ändern.