Eine mittelgroße Buchhandlung in einer mittelgroßen Stadt. Ich stoße bei dem vielleicht besten Präsentationsplatz des Ladens auf einen Stapel von Pete Dexters »Deadwood« (Liebeskind) mit Empfehlung einer Buchhändlerin, und mir geht es gleich gut für den Tag. Auch wenn es sich nicht um einen Titel des eigenen Verlags handelt. Es ist fast sicher, dass sich dieser erste positive Impuls bei einem Gang durch die Buchhandlung verstärken wird, der Eindruck von Individualismus, von bewusstem Sortieren und Präsentieren. Und im Gespräch erfährt man dann viel von der Kundenstruktur des Ortes oder des Stadtteils, von Kundenservice und Veranstaltungsprogrammen. In der Regel findet man in solchen Buchhandlungen keine Schütten, Displays, Pappkameraden oder sonstigen Verschönerungsprogramme und auch Aktionsware eher selten. Es tut den Nerven gut, wenn man erfährt, dass nicht auch der x-te prognostizierte Bestseller in dieser Buchhandlung gebraucht wird.
Christiane Schulz-Rother hat sehr recht, wenn sie im Börsenblatt der vergangenen Woche auf den Widerspruch zweier Sehnsüchte der Verlage hinweist. Der Sehnsucht nach Buchhandelsvielfalt und Individualismus und der noch stärkeren Sehnsucht nach Beteiligung an Kampagnen mit vorgefertigten Werbemitteln. Und sie hat auch grundsätzlich recht damit, dass es ihn gibt, den individuell und wirtschaftlich erfolgreich arbeitenden unabhängigen Buchhandel.
Immer noch viel zu häufig allerdings sehe ich auf meinen Reisen in Buchhandlungen kleiner oder mittlerer Größe, die eine kleinere (und damit schlechtere) Ausgabe des örtlichen Großfilialisten zu sein scheinen und das offensichtlich auch sein wollen. Oder ist Uniformität ganz einfach Folge von Zeitmangel, Platzmangel, Angst und fehlender Kommunikation oder eine Kombination aus allem? Niemand bezweifelt, dass auch im kleinen und mittleren Sortiment die sogenannten Brotartikel geführt und gezeigt werden müssen, aber muss es zwingend und immer auf den allerbesten Plätzen, mit den immer gleichen Werbemitteln und mit der gleichen Vehemenz geschehen wie in den großen Filialbuchhandlungen?
Fatal nur, dass die Großen ihr Angebot durch Corporate Design und luftige Fläche wesentlich attraktiver und übersichtlicher präsentieren können. Warum also nicht andere Wege gehen? Um es gleich zu sagen: Mir ist als gelernter Buchhändler sehr bewusst, dass es sich bei einer Buchhandlung um ein Wirtschaftsunternehmen und nicht um ein Kulturinstitut handelt. Aber sorgfältiges und auf die eigenen Kunden ausgerichtetes Sortieren und Präsentieren und wirtschaftliches Arbeiten kann doch eigentlich kein Widerspruch sein.
Noch etwas zum Thema Individualismus im Buchhandel: Selbstverständlich gehen alle Verlage stets davon aus, dass ihre eigenen Programme sehr zur Profilierung eines Ladens beitragen können, ja sogar unverzichtbar sind, wo käme man denn auch hin. Aber der Individualismus einer Buchhandlung kann dazu führen, dass die Titel des eigenen Verlags auch mal fehlen, so kann’s gehen und da muss man dann erst einmal durch.
Aber vielleicht lässt sich das ändern, wenn wir besser kommunizieren. Der verehrte Gottfried Benn schrieb: »Der Mensch ist ein Wesen, das mit anderen reden will.« Er meinte das zwar in einem anderen Zusammenhang, aber nehmen wir die Aussage mal her für die gute Sache. Lassen Sie uns reden über das, was wir füreinander tun können und was wir voneinander erwarten, auch und gerade im lokalen Marketing in Bezug auf Werbemittel, Aktionsgestaltung und Veranstaltungen. Kommunikation mit dem stationären Handel ist für Verlage lebenswichtig. Wir alle reden zu wenig miteinander – eigentlich erstaunlich für eine Branche, die mit dem gedruckten oder elektronisch vervielfältigten Wort ihr Geld verdient. Und einen ersten kommunikativen Mangel möchte ich in der nächsten Zeit beheben – die Tegeler Bücherstube und Frau Schulz-Rother kennenlernen. Wenn ich darf …