Interview

"Kreative Mitarbeiter haben ständig Ideen"

18. Januar 2012
Redaktion Börsenblatt
Einige Unternehmen der Buchbranche befinden sich noch im Trägheitskoma, meint Peter Kürsteiner. Wie man den Kreativitätspegel im Unternehmen erhöht, erklärt der Innovationstrainer im Gespräch mit boersenblatt.net.

Coole Altbauetage, junge, attraktive Leute, die beim Tischkickern Ideen für die neue Werbekampagne entwickeln. Klischee oder Wirklichkeit?
Kreative Kommunikationsecken, Tischkicker und Thinktanks sind schon wirkungsvolle Mittel, um Kreativität und die interne Kommunikation anzutreiben. Wichtiger ist natürlich die Unternehmenskultur.

In inhabergeführten, mittelständischen Unternehmen stoßen kreative Mitarbeiter mit ihren Ideen schnell an ihre Grenzen. Was tun?
Das geschieht leider nicht nur in inhabergeführten, mittelständischen Unternehmen. Oft sind Ideen aber auch nicht genügend durchdacht. Führungskräfte sind häufig genervt von halbgaren Einfällen. Wer eine wirklich gute Idee hat, sollte dafür kämpfen, ein Konzept daraus entwickeln. Kreative Mitarbeiter produzieren ständig Ideen und verwerfen die meisten davon wieder. Es geht darum, für die guten Ideen zu kämpfen, und diese immer wieder an geeigneter Stelle vorzubringen. 

Neue Geschäftsideen – oder eben neue Ideen für alte Geschäfte – sind angesichts der Digitalisierung für die Buchbranche nicht nur gefragt, sondern überlebenswichtig. Brauchen wir neue Leute? Oder lässt sich Kreativität lernen?
Beides: Ein heterogenes kreatives Team und die richtigen Methoden. Das Team setzt sich optimaler Weise aus drei Arten von Personen zusammen: Fachleute  / Owner, die sich in ihrem Bereich auskennen, Berater, damit meine ich Leute gleicher Qualifikation aus einem anderen Umfeld, und Querdenker, also Leute, die sich trauen auch verrückte Ideen zu liefern. Und Kreativität lässt sich sehr gut trainieren. Allein das Trennen der Phasen „Ideen sammeln“ und „Ideen bewerten“ bringt oftmals schon eine Vervielfachung der Ideen.

Wie können Personaler erkennen, ob der Kreativitätspegel des Bewerbers für den Job auch hoch genug ist?
Das lässt sich mit einer konkreten Aufgabe testen. Zum Beispiel könnte der Bewerber gebeten werden, in zehn Minuten so viele Einsatzgebiete wie möglich für einen simplen Holzklotz aufzuschreiben. Das Ergebnis ließe sich dann leicht bewerten.

Innovative Mitarbeiter sind gefragt – und mit Speck fängt man Mäuse. Was müssen Arbeitgeber den kreativen Köpfen bieten?
Freiraum und Zeit: Wer zugemüllt ist, hat keine Zeit für Ideen.

Wie hoch schätzen Sie die Innovationskultur in der Buchbranche ein?
Je länger ein Geschäftsmodell erfolgreich war, um so träger und erfolgsverwöhnter werden die Firmen und Mitarbeiter in dieser Branche. Die EDV-Branche ist gewohnt, sich auf Veränderungen einzustellen, was die Firmen und Mitarbeiter aktiv und innovativ hält. Die Digitalisierung wird die Buchbranche nachhaltig verändern. Manche Firmen passen ihre Geschäftsmodelle an und liefern entsprechende Produkte, andere verpassen die Entwicklungen. Einige Unternehmen befinden sich noch im Trägheitskoma. Zum Beispiel im Bereich der Lernmedien für Schüler werden sich massive Veränderungen durchsetzen müssen. Manche Schulbücher sind von Vorgestern und die Kinder sind vielen Lehrern in der Nutzung moderner Medien zum Lernen weit voraus. In solchen Bereichen bieten sich jetzt Chancen für Firmen.

Gute Ideen machen oft viel Arbeit. Da behält man seine Idee lieber mal für sich… Wie können Chefs gegensteuern?
Gute, motivierte Mitarbeiter sind oft überlastet. Man gibt Aufgaben eben lieber guten als schlechten Mitarbeitern – so lange, bis sie „Stopp“ sagen. Der Hauptgrund, Ideen zurückzuhalten, ist aber die Angst, sich zu blamieren oder einen Fehler zu machen.
 
Schlechte Ideen machen leider auch viel Arbeit. Gibt es einen Trick, möglichst rasch die schlechten Ideen rauszufiltern, um die Energie auf gewinnbringende Ansätze zu konzentrieren?
Ein klarer Prozess wäre hilfreich, der von vielen Ideen zu wenigen Innovationen führt. In der Produktentwicklung innovativer Firmen ist ein solcher „Stage-Gate-Prozess“ etabliert. Zu oft wird zu früh auf eine mittelmäßige Idee gesetzt, statt eine Idee zu einem sehr guten Konzept reifen zu lassen. Google oder die TV-Show „The Voice“ waren nicht "First Mover" in ihrem Bereich, aber durchdachte innovative Konzepte.
 
Manchmal kommt aber auch einfach gar nichts. Hatten Sie heute schon eine gute Idee?
Heute früh ist mir eingefallen, dass ich ein Exemplar von „Trainy“, meinem neuen Lernsystem für Grundschüler, zum Bundesministerium für Bildung schicken könnte. Vielleicht bringt es ja etwas.

Der Diplom-Ingenieur Peter Kürsteiner (geb. 1968) ist als Unternehmer, Business Coach und Keynote-Speaker tätig. Zu den Arbeits- und Themenschwerpunkten von "Kürsteiner Consulting" gehören Rhetorik und Präsentation, Lern- und Gedächtnistechniken, Kreativität, Ideenmanagement und Innovationen.