Die "Ostsee-Zeitung" hat einen Vorbericht zur Leipziger Buchmesse gebracht. Drüber stand: "Branche ist in Aufbruchstimmung". Das ist eine verblüffend helle Zeile. Meist liest man von Abbruchstimmung. Typisch für das Untergangsgeraune sind Überschriften wie "Der deutsche Buchhandel steht zum Verkauf". So hat ein Portal namens excitingcommerce.de einen Text betitelt, in dem es um einen Verkauf von Thalia geht. Prompt gab es Spott im Buchhandelstreff auf Facebook: "Wusste gar nicht, dass Thalia 'der deutsche Buchhandel' ist." Gut gekontert, aber was zählen schon feine Unterscheidungen!
Einwände der vernünftigen Art stören Erregungsproduzenten herzlich wenig. Man hat sich zur Beerdigung des Buchhandels versammelt und zieht die Feier jetzt auch durch, notfalls ohne Leiche. Ernst an dem albernen Getue ist, dass ein Zerrbild sich öffentlich festzusetzen beginnt. Buchhändler, denen es noch unvorschriftsmäßig gut geht, berichten von Kunden, die sich bei ihnen pietätvoll nach dem Stand des Dahinscheidens erkundigen, obgleich ringsums alles einen kerngesunden Eindruck macht. Hoppla, ihr lebt noch?
Beobachtungen, die nicht ins Bild einer kollabierenden Branche passen wollen, werden vermieden. Dabei ließe sich viel über Positives reden. Darüber etwa, dass immer noch mehr als 3.600 (in Worten: dreitausendsechshundert!) Buchhandlungen im Lande Bücher verkaufen. Oder darüber, dass die Zahl der Ausbildungsverträge im Berufsbild Buchhändler stabil ist. Oder darüber, dass viele in ihre Ladengeschäfte investieren, damit der Kunde gern kommt, länger bleibt, stöbert. Und einkauft.
Für eine medial bereits totgesagte Branche wirkt all das erstaunlich betriebsam – als wollte man die veröffentlichte Meinung Lügen strafen. Exemplarisch für die vielen, die sich Mühe geben und den wachsenden Ansprüchen ihrer Kunden gerecht werden wollen, ist die Geschichte des Lüneburgers Jan Orthey, dessen Geschäft in bester Lage mit neuen Böden und neuem Lichtkonzept die Lesefreunde lockt. "Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein", so begründet der Chef im Vorwort eines hauseigenen Magazins seine mutige Investition. Ständig kommen jetzt Kunden und machen Orthey und seiner Mannschaft Komplimente. Lüneburg ist kein Buchhandelswunderort, sondern eine hübsche Mittelstadt mit gut 70.000 Einwohnern. Wie anderswo auch, steht dort der Buchhandel nicht zum Verkauf. Sondern er verkauft: Bücher. Was hindert uns, darüber ähnlich laut zu reden wie über aktuelle Probleme?