Gastspiel

Funnies und Bunnies

1. März 2012
Redaktion Börsenblatt
In der modernen Buchhandlung gibt es einfach alles rund ums Buch. Das macht sie so – anders. Von Jochen Jung.

Berlin sei arm, aber sexy, hat da letzthin mal jemand gesagt, der es wissen musste. Die Wiener bleiben dagegen etwas unbestimmter, aber vielleicht auch offener: "Wien ist anders", heißt deren Slogan, und die Berliner können sich da jetzt denken, was sie wollen. So viel zu den deutschsprachigen Hauptstädten, und damit nichts fehlt, ergänzen wir mal freihändig: Bern hat man gern.

Jetzt zu den deutschsprachigen Buchhandlungen, die ja leider auch nicht mehr das sind, was sie mal waren, denn auch die deutschsprachigen Buchhandlungen werden anders. Gerade noch waren sie – und nicht nur in den Augen von Marketingspezialisten – nicht viel mehr als ein Haufen Bücher; denn Bücher, da können alte Bibliotheksnarren sagen, was sie wollen, Bücher eignen sich zum attraktiven Dekorieren ungefähr so gut wie Sardinenbüchsen. An die Wand gestellt, aufs Brett gelegt, kleine Stapel, große Stapel, linksdrehend, rechtsdrehend – es ist ein einziges Elend. Ob aus der Ferne, ob von nah: Bücher machen nichts her, sie bringen es einfach nicht. Natürlich ist kein Buch wie das andere, alles Individualisten, aber kaum dass sie neben-, über- oder untereinanderliegen, sieht es aus wie auf dem Schulhof, und man kann die Braven nicht mehr von den Frechen unterscheiden, kaum noch die Lehrer von den Schülern.

Jetzt aber, jetzt sind die Buchhandlungen wie Wien: anders. Wir wissen ja noch, mit welcher Begeisterung, ja Erlösung wir auf der Suche nach irgendwas, was das Papier-Buch dem Luftikus E-Book voraushat, nach dem Wort "haptisch" gegriffen haben. Kurz davor kannten wir noch nicht einmal das Wort, aber auf einmal wussten alle, dass Bücher so was Haptisches haben. Jetzt aber kommen wir in eine Buchhandlung, und auf einmal ist alles schon rein optisch haptisch.

Auf runden Tischchen liegen hier bunte Tellerchen, ragen dort lange Vasen, lädt da ein Bündel Spaghetti mit einer Flasche Chianti-Wein zum Verweilen ein, manch feines Schreibzeug findet sich, viel Shawls und Servietten und Tücher aller Art, Spielzeug aus edlen Hölzern neben den lustigen Gummienten, Bilderrahmen mit Bildern mit Kindern, Katzen, Krokussen, Kissen dazu und Kürbisse und was es sonst noch mit K gibt, ja, Kerzen natürlich und Kerzenhalter. Kondome noch nicht, sowieso alles mehr Anmutung für die Frau als für den Herrn, aber wer geht denn in die Buchhandlung? Und alles das, das ist das Wunderbare, liegt da nicht nur so rum, nein, man kann es auch kaufen, soll es sogar.

Und weil man da schon mal drin ist in der Alles-rund-ums-Buch-Buchhandlung entdeckt man dann auf einmal auch die Bücher, denn die gibt es da ja immer noch, und siehe da: Man denkt sich: lecker Bücher, und kauft sich dann auch so was Haptisches zum Lesen.

Muss einfach sein das Zeug, der Kram, der Krempel. Denn Bücher bringen es ja nicht nur als Dekomaterial nicht mehr, sie sind auch im Verkauf eher Hänger. Sie flutschen nicht so, wie sie sollten, wenn man eine 1-a-Lage zu finanzieren hat, verstehen Sie? Die 2-b-Lagen können ja ruhig weiter auf Kirche machen, mehr arm als sexy, wenn Sie auch da verstehen, was ich meine. Die können dann ja auf den Sanierer warten, der eines Tages zu den andern kommt und sagt: Raus mit dem Schwerverkäuflichen. Buchhandlung ohne Bücher, da liegt unsre Zukunft.