Kommentar

Stapelplätze werden knapp

1. März 2012
Redaktion Börsenblatt
Die Marktführer unter den Buchhändlern sind mit Rückbau befasst. Unter dem enormen Flächenverlust leidet die Sichtbarkeit der Bücher – was die Verlage unterschiedlich trifft. "Das kleine, feine Vollsortiment könnte ein Krisengewinner werden," meint Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.
Erst kamen die großen Buchhändler. Sie kamen in Expansionslaune. Die Zahlen, die sie auf ihren enormen Flächen erwirtschafteten, schienen zu legitimieren, was geschah: die Verdrängung des kleinen, inhabergeführten Sortiments durch die Ketten. Unterm Strich stand nach der mehrjährigen Phase der Konzentration immerhin ein Gesamtflächenzuwachs, obwohl eine Reihe kleiner Händler die scharfe Konkurrenz nicht überlebt hat.

Nun ereignet sich ein Selbstrückbau der Verdränger. Allein an drei Hugendubel-Standorten, die in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres verkleinert werden, gehen 2.500 Quadratmeter Buchterritorium verloren. Die Rentabilitätsentwicklung der Läden (nicht nur derer des Münchner Filialisten) lässt keine andere als diese Reaktion zu. Sie führt zu der dringend erforderlichen Kostenentlastung. Unter dem Strich wird diesmal eine Gesamtflächenminderung des Buchhandels stehen. Das ist im Vergleich mit den Konzentrationsjahren eine interessante Differenz.

Ab sofort wird es zwischen großen Händlern und Produzenten engagierte Unterhaltungen über die Frage geben, wie die Bücher in den Läden sichtbar zu halten sind. Die Verlage sind in unterschiedlicher Weise von der Krise der Großfläche betroffen. Wer im Jahr ein, zwei Toptitel bringt, findet auf 400 Quadratmetern vermutlich immer noch sein Stapelplätzchen. Wer mit zehn und mehr Spitzensellern kalkuliert, muss sich Sorgen machen. Wo wollen Konzernverlage ihr stattliches Programm künftig zeigen – von Qualitäten eines "Erlebnisbuchhandels" ganz zu schweigen? Amazon, der gelobte Partner, hat nun mal keinen Showroom und erreicht das Heer der Stöberer und ungerichteten Käufer nur unzulänglich. Das kleine, feine Vollsortiment könnte ein Krisengewinner werden. Noch profitiert es von der Not der Großen mancherorts aber nur mäßig, anderswo gar nicht. Produzentenseitig wird sein Gewicht seltsam gering geschätzt. Auch hier mag das Denken die Richtung wechseln. Vielleicht.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit dem Markenspezialisten Joachim Zentes und den Beitrag "Markenwechsel fällig" im aktuellen Börsenblatt, Heft 9 (Seite 11 und 16/17).