Das stationäre Sortiment muss mit Umsatzrückgängen leben, die großen Ketten strukturieren um. Valora Retail Deutschland dagegen expandiert beharrlich. Was läuft bei Ihnen anders als im übrigen Buchhandel?
Mathias Gehle: Es gibt zwei Besonderheiten im Bahnhofsbuchhandel - wir haben nicht wie die großen Filialisten das Überflächenproblem, da wir naturgemäß immer nur begrenzte Räume zu Verfügung haben. So misst unsere durchschnittliche Verkaufsfläche 120 Quadratmeter. Und wir sind eine Impulskaufstätte. Darauf haben wir unser Shopkonzept P&B konsequent ausgerichtet.
Wie denn?
Gehle: Wir legen großen Wert auf eine klare Struktur und einen emotionalen Auftritt, der auch jüngere Zielgruppen anspricht und international verständlich ist. Unsere drei Sortimentsbereiche Buch, Presse und Aktionsware kennzeichnen wir anhand von Farbwelten. Mit den Farben Magenta, Cyan und Gelb beziehen wir uns dabei auf das Standardfarbmodell CMYK für den Vierfarbdruck. Damit betonen wir unsere Verankerung im Printgeschäft.
Und wie halten Sie es mit den digitalen Medien und dem Online-Vertrieb?
Gehle: Unser Mutterkonzern testet seit Anfang des Jahres den Buchvertrieb via Online-Shop pressbooks.ch. Wir werden in Ruhe auswerten, wie viel Traffic sich darüber generieren lässt. E-Books werden nach unserer Einschätzung keine Rolle im stationären Handel spielen, weil man sie ortsunabhängig besorgen kann. Wir können bisher keinen Mehrwert erkennen, damit die Kunden sie trotzdem bei uns kaufen.
Buchhändler denken immer mehr über Zusatzsortimente nach, um sinkende Buchumsätze aufzufangen. Mit Ihrer Vertriebsmarke P&B bekennen Sie sich dagegen klar zum Buch- und Pressesortiment...
Gehle: Die Kunden bekommen, was sie von uns erwarten: tagesaktuelles Infotainment. Wir bieten zwar flächendeckend Postdienstleistungen an, haben den Lotto-Service stark ausgeweitet und führen zum Beispiel Mobilfunk-Startersets. Aber wir werden uns nicht in Nonbook-Abenteuer stürzen. Eine viel größere Bedeutung nehmen bei uns die Convenience-, Tabak- und Non Food-Sortimente ein. Hier entscheidet sich die Zukunft für tragfähige Travel Retail-Konzepte.
Sind Sie denn mit Ihrem Buchhandelsgeschäft zufrieden?
Gehle: Wir liegen beim Buchumsatz in diesem Jahr bisher annähernd auf Vorjahresniveau. Allerdings haben wir im Vergleich zum Boomjahr 2010 im vergangenen Jahr flächenbereinigt Umsatz verloren: Der Winter war mild, was die Zahl der Bahnpendler reduziert hat, und es mangelte insbesondere an der Bestseller-Breite. Das Zeitungs- und Zeitschriftengeschäft ist zumindest nicht einfacher geworden: Der Rückgang bei Tageszeitungen hat sich beschleunigt, der Zeitschriftenmarkt fächert sich immer stärker auf. Umsatz wird heute nicht mehr hauptsächlich mit wenigen Topsellern erzielt, sondern mit kleinen Stückzahlen von vielen Special-Interest-Titeln. Dies ist gleichzeitig unsere Kernkompetenz, die wir immer weiter ausbauen werden.
Wo sehen Sie noch Wachstumspotenzial?
Gehle: Wir haben unseren Buchumsatz 2011 leicht erhöhen können. Aber der Bahnhofsbuchhandel ist ein an Standorten begrenzter Markt. Wenn man in unserer Branche wachsen will, kommt man am Thema Convenience nicht vorbei. Nach Tabacon Franchise haben wir im Rahmen der Wachstumsstrategie Valora for Growth jetzt die größte deutsche Kiosk-Kette, Convenience Concept, erworben. Im Kiosk-Sektor wollen wir weiter wachsen.